1. Erbengemeinschaft bei Spaltnachlässen
Rz. 82
Besonders interessant ist die Betrachtung der Erbengemeinschaft im Falle des (tatsächlichen) Bestehens von mehreren Erbstatuten, auch wenn nach Einführung der EuErbVO dieser Fall eben gerade nicht mehr vorkommen sollte; beachtlich sind indes die zahlreichen Altfälle bis zum 17.8.2015. Die Struktur und Entstehung der Erbengemeinschaft richten sich nämlich nach dem Erbstatut zum Todeszeitpunkt des Erblassers. Da also durch den Tod des Erblassers mehrere Erbfälle ausgelöst wurden und die gesamte Vermögensmasse des Erblassers in mehrere rechtlich eigenständige Nachlässe zerfallen ist, muss dies auch Auswirkungen auf die Erbengemeinschaft haben. Wenn nämlich die Nachlassmassen rechtlich selbstständig sind, dann bilden sie auch aufgrund divergierender Erbstatute selbstständige Erbengemeinschaften. So kann es sein, dass sich eine Erbengemeinschaft ipso iure mit dem Erbfall bildet und die andere erst nach der ausdrücklichen Annahme der Erbschaft durch die Erben. Dies hängt schlicht damit zusammen, dass nicht jedes Land einen (ipso iure) Vonselbsterwerb der Erbschaft kennt (beispielsweise Spanien und Italien). Bis dahin spricht man in Italien von einer "ruhenden Erbschaft". Weiterhin kann es auch sein, dass sich die Erbengemeinschaften aufgrund unterschiedlicher nationaler Erbrechte aus verschiedenen Erben zusammensetzen oder aber die Erbquoten in den Gemeinschaften divergieren. Es können sogar für jeden einzelnen Spaltnachlass eigene Verfügungen von Todes wegen existieren. Weiterhin ist zu beachten, dass aufgrund einer möglichen Nachlassspaltung auch unterschiedlich über Nachlassgegenstände verfügt werden darf. Das Erbstatut bestimmt aus Sicht der EuErbVO, ob und wie ein Miterbe über seinen Anteil an der Gemeinschaft oder aber über einzelne Nachlassgegenstände verfügen darf. Bezogen auf die Gesamthandsgemeinschaft bedeutet dies zum Beispiel, dass nicht einzelne Nachlassgegenstände veräußert werden dürfen. Diese Aussage hat freilich keinerlei Geltung, was eine Erbengemeinschaft anbelangt, welche als Bruchteils- oder Gütergemeinschaft organisiert ist. Hier kann es durchaus sein, dass die einzelnen Miterben im Rahmen ihrer Quote verfügen dürfen.
2. Erbengemeinschaft im ausländischen Pflichtteilsrecht
Rz. 83
Das ausländische Pflichtteilsrecht kann auch Auswirkungen auf die Erbengemeinschaft haben. Insbesondere dann, wenn das Pflichtteilsrecht nicht als schuldrechtlicher Ersatzanspruch (wie in Deutschland) ausgestaltet ist. Viele europäische Länder, insbesondere jedoch die Länder, die dem romanischen Rechtskreis angehören, verstehen das Pflichtteilsrecht als echte Beteiligung am Nachlass. Man spricht dort auch nicht vom Pflichtteilsrecht, sondern vom Not- oder gesetzlichem Pflichterbenrecht. Oftmals sieht dieser eine direkte Beteiligung am Nachlass in Form einer Mindesterbquote vor. Hat ein enterbter leiblicher Abkömmling die oftmals vorab durchzuführende Herabsetzungsklage mit Erfolg durchgeführt, so ist er (echter) Noterbe/Pflichterbe und nicht Berechtigter eines Zahlungsanspruchs. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Noterbe in einem deutschen Erbschein als Miterbe mit aufzuführen ist.
Durch diesen Status wiederum rückt der enterbte leibliche Abkömmling in die bestehende Erbengemeinschaft mit ein. Dieses Ergebnis ist möglich, da es aus der rechtlichen Perspektive dieser Länder schlicht nicht vorstellbar ist, dass ein leiblicher Abkömmling des Erblassers nicht Erbe wird und damit auch nicht Mitglied der Erbengemeinschaft.
3. Erbengemeinschaft im Grundbuch
Rz. 84
Die Eintragung einer Erbengemeinschaft in ein inländisches Grundbuch erfolgt gemäß § 13 GBO auf Antrag eines Miterben. Der Antrag kann von einem Miterben alleine gestellt werden. Die Erbfolge ist prinzipiell durch einen Erbschein nachzuweisen. Ein notarielles oder holographisches Testament ist dann ausreichend, wenn die Erbfolge aus ihm eindeutig hervorgeht und nicht an Bedingungen, Auflagen geknüpft ist oder gar alternative Erbfolgen angeordnet wurden. Es ist nicht Aufgabe des Grundbuchamtes zu prüfen, ob hier eine Vor- oder Nacherbfolge oder alternativ eine unbedingte Erbeinsetzung erfolgt ist. Möglich ist der Nachweis durch einen Eigenrechtserbschein gemäß §§ 2353 ff. BGB oder aber einem gegenständlich beschränkten Erbschein nach § 352c FamFG sowie durch ein Europäisches Nachlasszeugnis. Der Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1 GBO kann grundsätzlich nicht durch einen ausländischen Erbschein oder ein anderes gleichwertiges Zertifikat geführt werden. Ein solches Zertifikat hätte bestenfalls Beweis-, aber keine Legitimationswirkung. Eine Ausnahme hiervon bildet freilich das Europäische Nachlasszeugnis, welches...