Rz. 5
Vorrangig vor der EuErbVO oder dem EGBGB a.F. finden, wie bereits erwähnt, etwaige zwischen den einzelnen Staaten geschlossenen bilaterale Konsular- oder Staatsverträge Anwendung. Die Bundesrepublik Deutschland bzw. deren Vorgängerstaaten haben mit einzelnen Ländern kollisionsrechtliche Regelungen getroffen, welche bis heute wirken. Im Einzelnen bestehen die nachfolgenden Verträge:
1. Deutsch-türkischer Konsularvertrag vom 28.5.1929
Rz. 6
Dieser Konsularvertrag wurde zwischen der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich geschlossen. Nach dem Eintritt der Türkei in den Krieg wurde er aufgehoben, ist jedoch seit dem 26.2.1952 wieder in Kraft. Die relevanten erbrechtlichen Regelungen des Konsularvertrags finden sich in den §§ 12 ff. des Anhangs zu Art. 20. In § 14 des Konsularvertrags wird das auf die Erbfolge anzuwendende Recht bestimmt. Die Anwendung des Konsularvertrags führt zu einer Nachlassspaltung. Nach § 14 Abs. 1 des Konsularvertrags wird bewegliches Vermögen stets nach dem Heimatrecht des Erblassers vererbt, wohingegen gemäß § 14 Abs. 2 des Konsularvertrags unbewegliches Vermögen stets nach den Regeln des Belegenheitsort der Sache vererbt wird, "und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser, zum Zeitpunkt seines Todes, Angehöriger dieses Landes gewesen wäre".
2. Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag vom 25.4.1958
Rz. 7
Nach der Auflösung der UDSSR gilt der Konsularvertrag mit den meisten Nachfolgestaaten der UDSSR fort. Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrags enthält eine Kollisionsnorm, welche zu einer Nachlassspaltung führt. Danach findet hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens das Recht des Landes Anwendung, in dem es belegen ist (Grundsatz: lex rei sitae). Durch die Berücksichtigung der lex rei sitae kann es in der Praxis also zu einer Nachlassspaltung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen kommen. Keine Anwendung findet der deutsch-sowjetische Konsularvertrag bei den drei baltischen Staaten (Litauen, Lettland und Estland) mehr. Da diese sich nicht als Nachfolgestaaten der Sowjetunion sehen, haben sie keine Weiteranwendung des Vertrages mit Deutschland vereinbart. Die baltischen Staaten sind darüber hinaus Vertragsstaaten der EuErbVO, sodass ohnehin die EuErbVO vorrangig zur Anwendung gelangt, da gemäß Art. 75 Abs. 2 EuErbVO, bei bestehenden bilateralen Staatsverträgen, von Vertragsstaaten der EuErbVO diese Vorrang genießt. De facto wird so verhindert, dass durch Staatsverträge die Anwendung der EuErbVO umgangen werden kann.
3. Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929
Rz. 8
Anders als das deutsch-türkische Konsularabkommen war das deutsch-persische Abkommen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges lediglich suspendiert worden. Seine Weitergeltung wurde durch Protokoll vom 4.10.1954 bestätigt. Ob es in der Zeit von 1945 bis 1954 galt, ist zweifelhaft. Das Abkommen enthält in Art. 8 Abs. 3 eine Kollisionsnorm für das gesamte Familien- und Erbrecht. Staatsangehörige der beiden Vertragsstaaten werden dabei im Hinblick auf das Personen-, Familien- und Erbrecht ihrem jeweiligen Heimatland unterworfen. Was das Erbrecht anbelangt, so wird allein auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abgestellt. Das Abkommen ist mithin von Deutschen Gerichten nur zu beachten, wenn der Erblasser, zum Zeitpunkt seines Todes, Iraner war. Die Staatsangehörigkeit der Erben ist indes unbeachtlich. Auf Erblasser, welche zum Zeitpunkt ihres Todes beide Staatsangehörigen innehatten, findet aus deutscher Sicht dieses Abkommen keine Anwendung. Ein Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB scheidet jedenfalls aus, da dies dem Zwecke des Abkommens zuwiderläuft. Insgesamt findet das Abkommen auf Deutsch-Iraner keine Anwendung, weil es dem Abkommen im Ergebnis darum geht, das kein Angehöriger eines Vertragsstaates dem Recht des anderen Vertragsstaates unterworfen wird bzw. mit ihm gleichgestellt wird. Das nach dem Abkommen zur Anwendung kommende Recht erfasst dabei auch Nachlassgegenstände, welche sich außerhalb der beiden Vertragsstaaten befinden.
4. Staatsvertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Großherzogtum Baden
Rz. 9
Das Abkomme...