Dr. iur. Holger Bremenkamp, Dr. Wolfgang Kürschner
a) Satzrahmengebühr
Rz. 86
Die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG ist eine Satzrahmengebühr im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 1 RVG, ihr Rahmen beträgt 0,5 bis 2,5 der vollen Gebühr. Daraus errechnet sich eine Mittelgebühr von 1,5. Nach der Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG (ab 1.10.2021: Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV RVG) kann eine Gebühr von mehr als 1,3 (sog. Schwellengebühr) aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Andernfalls wirkt die Schwellengebühr als Kappungsgrenze. Die Geschäftsgebühr entsteht gemäß Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Es entsteht mithin eine (erste) Gebühr nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG, sobald der Anwalt nach Erteilung des Auftrags die ersten Tätigkeiten in diesem Zusammenhang ausübt. Zum 1.10.2021 tritt mit Anm. Abs. 2 zu Nr. 2300 VV RVG eine weitere Schwellengebühr in Kraft: Ist Gegenstand der Tätigkeit eine Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft, kann eine Gebühr von mehr als 0,9 nur gefordert werden, wenn die Inkassodienstleistung besonders umfangreich oder besonders schwierig war. In einfachen Fällen kann nur eine Gebühr von 0,5 gefordert werden; ein einfacher Fall liegt in der Regel vor, wenn die Forderung auf die erste Zahlungsaufforderung hin beglichen wird. Der Gebührensatz beträgt höchstens 1,3.
b) Höhe
Rz. 87
Die Geschäftsgebühr von 1,3 ist damit zugleich die Regelgebühr. Das gilt auch in (Verkehrs-)Unfallsachen. In Unfallsachen, die überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig sind, ist eine Überschreitung der Schwellengebühr von 1,3 nicht nur zulässig, sondern auch angezeigt. Die Bestimmung des Gebührensatzes innerhalb des Gebührenrahmens von 0,5 bis 2,5 erfolgt durch den Rechtsanwalt unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG).
Rz. 88
Rahmengebühren entstehen durch jede weitere Erfüllung des Gebührentatbestands jeweils nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG erneut. Der Rechtsanwalt kann sie gemäß § 15 Abs. 1 und 2 RVG aber nur einmal höchstens bis zu einem Gebührenrahmen von 2,5 fordern. In diesem Sinne ist für die nach billigem Ermessen vorzunehmende Bestimmung der Gebühr auch maßgebend, wie oft ein Gebührentatbestand erfüllt worden ist. Eine Rahmengebühr kann so bis zur oberen Grenze des Rahmens (2,5) anwachsen.
c) Toleranzgrenze
Rz. 89
Bei der Bemessung der Geschäftsgebühr steht dem Rechtsanwalt ein Ermessensspielraum zu: Die von ihm im Einzelfall bestimmte Gebühr ist nicht unbillig, wenn sie sich innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % bewegt, und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Voll nachprüfbar ist aber, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Schwellengebühr von 1,3 erfüllt sind.
d) Gutachten der Anwaltskammer
Rz. 90
Besteht über den Gebührensatz Streit zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber, so ist gemäß § 14 Abs. 2 RVG ein Gutachten des Vorstands der für den Rechtsanwalt zuständigen Rechtsanwaltskammer einzuholen; das ist nach herrschender Auffassung zwar zulässig, aber nicht geboten, wenn der Rechtsstreit mit einem erstattungspflichtigen Dritten geführt wird, ebenso wenig, wenn der Gegenstandswert streitig ist.
e) Erhöhung bei mehreren Auftraggebern
Rz. 91
Wird der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig, so erhöht sich nach Nr. 1008 VV RVG die Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3 (unabhängig davon, mit welchem Satz der Rechtsanwalt die Ausgangsgebühr bestimmt hat), insgesamt höchstens um 2,0. Das gilt aber nur, soweit die Auftraggeber an dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit gemeinschaftlich beteiligt sind, und demgemäß nicht, wenn mehrere Personen jeweils eigene Ansprüche gemeinschaftlich verfolgen. Dann sind v...