Dr. iur. Holger Bremenkamp, Dr. Wolfgang Kürschner
Rz. 74
Die Gebühren des Rechtsanwalts entgelten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, gemäß § 15 Abs. 1 RVG die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. In derselben Angelegenheit kann der Rechtsanwalt die Gebühr nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 RVG). §§ 16 ff. RVG enthalten nicht abschließende Aufzählungen, in welchen Fällen dieselbe Angelegenheit bzw. verschiedene oder besondere Angelegenheiten vorliegen und in welchen Fällen anwaltliche Tätigkeiten mit bereits verdienten Gebühren abgegolten sind. Ob außerhalb dieser Aufzählungen von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit gesprochen werden kann.
Rz. 75
Dabei bedeutet die Angelegenheit den (äußeren) Rahmen, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt, wobei im Allgemeinen der dem Anwalt erteilte Auftrag entscheidet: Sie ist das gesamte Geschäft, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll, und kann mehrere Gegenstände umfassen (z.B. Schmerzensgeldanspruch, Verdienstausfallanspruch, Anspruch auf Ersatz des Sachschadens). In einer Verkehrsunfallsache, deren außergerichtliche Abwicklung sich über vier Jahre hinzog und sich auf die jeweils neu hinzukommenden Schadensbeträge erstreckte, hat der Bundesgerichtshof denn auch nur eine Angelegenheit mit mehreren Gegenständen angenommen.
Rz. 76
Der Begriff des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit umschreibt inhaltlich das konkrete Recht, Rechtsverhältnis oder die Rechtsposition, für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen abgibt. Gegenstand und Angelegenheit verhalten sich zueinander wie das Begriffspaar Streitgegenstand und Rechtsstreit. Einerseits wird die Sache als solche angesprochen und andererseits der Vorgang, in dem sie dargelegt wird. Der Auftrag bestimmt über den Gegenstand und damit über den Gegenstandswert.