Dr. iur. Holger Bremenkamp, Dr. Wolfgang Kürschner
1. Anwaltsvertrag
Rz. 73
Der Rechtsanwalt hat aufgrund seines Anwaltsvertrags mit dem Mandanten einen Vergütungsanspruch gemäß den §§ 611, 612 BGB. Hat der Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber, so schuldet jeder Auftraggeber gemäß § 7 Abs. 2 RVG nur die Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre, also insbesondere nicht die Mehrvertretungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG; insgesamt kann der Rechtsanwalt die ihm zustehenden Gebühren und Auslagen aber nur einmal fordern (§ 7 Abs. 2 S. 2 RVG). Steht dem Mandanten ein materiell-rechtlicher oder prozessualer Kostenerstattungsanspruch (vgl. oben Rdn 11 ff.) gegen einen Dritten zu, so hat dieser grundsätzlich die gesetzlichen Gebühren und Auslagen für die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts nach Maßgabe der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen zu erstatten; nur in Sonderfällen – wenn nämlich Abrechnung nach dem RVG unüblich ist – kann auch eine die gesetzliche Vergütung übersteigende vereinbarte Vergütung erstattungsfähig sein. Begrenzt ist ein Kostenerstattungsanspruch in jedem Fall auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten.
2. Gebührenrechtliche Angelegenheit und Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit
a) Abgrenzung
Rz. 74
Die Gebühren des Rechtsanwalts entgelten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, gemäß § 15 Abs. 1 RVG die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. In derselben Angelegenheit kann der Rechtsanwalt die Gebühr nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 RVG). §§ 16 ff. RVG enthalten nicht abschließende Aufzählungen, in welchen Fällen dieselbe Angelegenheit bzw. verschiedene oder besondere Angelegenheiten vorliegen und in welchen Fällen anwaltliche Tätigkeiten mit bereits verdienten Gebühren abgegolten sind. Ob außerhalb dieser Aufzählungen von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit gesprochen werden kann.
Rz. 75
Dabei bedeutet die Angelegenheit den (äußeren) Rahmen, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt, wobei im Allgemeinen der dem Anwalt erteilte Auftrag entscheidet: Sie ist das gesamte Geschäft, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll, und kann mehrere Gegenstände umfassen (z.B. Schmerzensgeldanspruch, Verdienstausfallanspruch, Anspruch auf Ersatz des Sachschadens). In einer Verkehrsunfallsache, deren außergerichtliche Abwicklung sich über vier Jahre hinzog und sich auf die jeweils neu hinzukommenden Schadensbeträge erstreckte, hat der Bundesgerichtshof denn auch nur eine Angelegenheit mit mehreren Gegenständen angenommen.
Rz. 76
Der Begriff des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit umschreibt inhaltlich das konkrete Recht, Rechtsverhältnis oder die Rechtsposition, für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen abgibt. Gegenstand und Angelegenheit verhalten sich zueinander wie das Begriffspaar Streitgegenstand und Rechtsstreit. Einerseits wird die Sache als solche angesprochen und andererseits der Vorgang, in dem sie dargelegt wird. Der Auftrag bestimmt über den Gegenstand und damit über den Gegenstandswert.
b) Einzelfälle zur Angelegenheit
Rz. 77
Um verschiedene Angelegenheiten handelt es sich aber bei der Unfallregulierung als solcher einerseits und der aufgrund gesonderter Aufträge erfolgten jährlichen Neuberechnung und Geltendmachung der Unterhaltsrente andererseits. Mehrere Angelegenheiten sind mangels eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit auch anzunehmen, wenn die Ansprüche mehrerer bei demselben Unfall Geschädigter in gesonderten Schreiben geltend gemacht werden; freilich steht die Entscheidung, ob Ansprüche mehrerer Geschädigter getrennt oder gemeinschaftlich geltend gemacht werden, den Mandanten und nicht dem Rechtsanwalt zu. Verschiedene Angelegenheiten liegen insbesondere vor, wenn wegen desselben Unfallereignisses Ansprüche gegen den Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung und (anschließend) gegen den eigenen Kaskoversicherer geltend gemacht werden: Hier fehlt es an dem für die Anna...