Dr. iur. Holger Bremenkamp, Dr. Wolfgang Kürschner
1. Überblick
Rz. 31
Grundlagen der Kostengrundentscheidung, die das Gericht gemäß § 308 Abs. 2 ZPO auch ohne Antrag der Parteien zu treffen hat, sind §§ 91 ff. ZPO sowie weitere in der ZPO verstreute einzelne Vorschriften, insbesondere § 91 Abs. 1 ZPO (Grundsatz, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat), § 92 Abs. 1 ZPO (Kostenteilung nach Maßgabe des teilweise Obsiegens und Unterliegens der Parteien), § 92 Abs. 2 ZPO (Auferlegung der gesamten Prozesskosten einer Partei, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine besonderen Kosten veranlasst hat oder wenn der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen o.Ä. abhängig war [so beispielsweise bei Schmerzensgeldentscheidung]); § 93 ZPO (Dem Kläger können die Prozesskosten auferlegt werden, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt); nach der in der Praxis zu selten angewendeten Vorschrift des § 96 ZPO können die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels der Partei auferlegt werden, die es geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt.
2. Erledigung des Rechtsstreits
Rz. 32
Gemäß § 91a Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen, wenn die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Diese Entscheidung kann auch ohne mündliche Verhandlung ergehen. § 91a ZPO gilt auch für eine übereinstimmende teilweise Erledigterklärung; für die einseitige Erledigterklärung richtet sich die Kostenentscheidung dagegen nach §§ 91, 92 ff. ZPO, nicht nach § 91a ZPO.
3. Erfolgloses Rechtsmittel
Rz. 33
§ 97 ZPO schafft die Grundlage für eine Kostenentscheidung bei einem erfolglosen Rechtsmittel (§ 97 Abs. 1 ZPO), gemäß § 97 Abs. 2 ZPO sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegte, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
4. Weitere Fälle
Rz. 34
Weitere wichtige Kostengrundentscheidungsvorschriften sind:
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§ 89 ZPO (Haftung des vollmachtlosen Vertreters), |
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§ 98 ZPO (Vergleich), |
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§ 100 ZPO (Kostenentscheidung bei mehreren Unterliegenden), |
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§ 101 ZPO (Kosten einer Nebenintervention), |
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§ 238 Abs. 4 ZPO (Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), |
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§ 269 Abs. 3 ZPO (gesetzliche Kostenfolge und Kostenausspruch bei einer Klagerücknahme), |
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§ 281 Abs. 3 ZPO (Kosten bei Verweisung), |
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§ 302 Abs. 4 ZPO (Kosten bei Vorbehaltsurteil), |
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§ 344 ZPO (Kosten bei Versäumnisurteil), |
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§ 516 Abs. 3 ZPO (Kosten bei Berufungsrücknahme), |
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§ 565 ZPO (Kosten bei Revisionsrücknahme), |
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§ 17b GVG (Mehrkosten bei Verweisung nach Entscheidung über den Rechtsweg). |
5. Korrektur der Kostenentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren
Rz. 35
Hat das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung einer der besonderen Kostenvorschriften, zum Beispiel hinsichtlich der Sonderfälle der Kostentrennung (§§ 94, 95, 96, 100 Abs. 3, 281 Abs. 3, 238 Abs. 4, 344 ZPO), übersehen oder verkannt oder sonst eine falsche Kostengrundentscheidung getroffen, so kann diese nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens korrigiert werden. Entsprechendes gilt bei einer von den Parteien getroffenen, vergleichsweisen Kostenregelung. Wurde eine Entscheidung über die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten gemäß § 101 ZPO vergessen, so ist eine Berichtigung oder Ergänzung nach §§ 319 ff. ZPO zulässig. Zur Anfechtung von Kostenentscheidungen siehe § 99 ZPO.
6. Streitgenossen
Rz. 36
Zwar ist es zulässig, dass bei einer gegen mehrere Streitgenossen gerichteten Klage im Rechtsmittelverfahren die vorinstanzliche Kostenentscheidung insgesamt überprüft und abgeändert wird, auch soweit sie einen in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr beteiligten Streitgenossen betrifft. Dies ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn ein nur im ersten Rechtszug beteiligter Beklagter dort voll obsiegt. Insoweit kann eine rechtskräftige erstinstanzliche Kostenentscheidung auch durch einen Vergleich – zumal wenn an diesem der nur im ersten Rechtszug beteiligte beklagte Streitgenosse nicht mitwirkt – mit prozessualer Wirkung nicht mehr abgeändert werden.