Dr. iur. Holger Bremenkamp, Dr. Wolfgang Kürschner
1. Bedeutung
Rz. 37
Der Streitwert hat im Zivilprozessrecht in sechsfacher Hinsicht Bedeutung: Für die sachliche Zuständigkeit als Zuständigkeitsstreitwert; für die Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen als Rechtsmittelstreitwert; für die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen als Verurteilungsstreitwert; für das schriftliche Verfahren als Bagatellstreitwert; für den Anwaltszwang in güterrechtlichen Familiensachen als Anwaltsstreitwert; vor allem aber für die Kosten des Rechtsstreits, also für die Gerichtskosten und Anwaltskosten in seiner Funktion als Gebührenstreitwert. Der Streitwert ist letztlich insbesondere auch von Bedeutung für die zu treffende Kostengrundentscheidung. Denn nur wenn das Gericht sich Klarheit über den Streitwert der Klage bzw. den Gegenstandswert des Rechtsmittelverfahrens verschafft, kann es auch die richtige Entscheidung darüber treffen, ob ein vollständiges oder nur teilweises Obsiegen/Unterliegen mit den jeweiligen kostenrechtlichen Konsequenzen gegeben ist.
2. Rechtsgrundlagen
a) Zuständigkeitsstreitwert
Rz. 38
Die Vorschriften der ZPO über den Streitwert und den Wert des Beschwerdegegenstands betreffen die sachliche Zuständigkeit der Gerichte und die Zulässigkeit der Rechtsmittel. Ihr Geltungsbereich ist dadurch erweitert, dass sie grundsätzlich auch für die Gerichtsgebühren und für die Gebühren der Rechtsanwälte gelten, wobei Folgendes zu beachten ist: Gemäß § 48 Abs. 1 GKG richten sich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagegesetzes darf der Streitwert 250.000 EUR nicht übersteigen.
Rz. 39
Gemäß § 48 Abs. 2 GKG ist in nicht-vermögensrechtlichen Streitigkeiten der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über 1 Million EUR angenommen werden. Ist mit einem nicht-vermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist gemäß § 48 Abs. 3 GKG nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend. Ist der Streitwert für die Entscheidung über die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels festgesetzt, so ist gemäß § 62 GKG die Festsetzung auch für die Berechnung der Gebühren maßgebend, soweit die Wertvorschriften des GKG nicht von den Wertvorschriften des Verfahrensrechts abweichen.
b) Streitwert der Gerichtsgebühren ist maßgebend
Rz. 40
Für die Bemessung der Rechtsanwaltsvergütung (vgl. dazu unten Rdn 73 ff.) richtet sich der Gegenstandswert (§§ 2 Abs. 1, 22 Abs. 1 RVG) nach den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wertvorschriften, §§ 23, 32 RVG. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gemäß § 63 Abs. 2 GKG von Amts wegen gerichtlich festgesetzt, ist die Festsetzung gemäß § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend.
Rz. 41
Der Rechtsanwalt kann gemäß § 32 Abs. 2 RVG aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen. Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, so setzt gemäß § 33 RVG das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.
c) Interesse des Klägers
Rz. 42
Für die Bemessung des Streitwerts kommt es grundsätzlich nur auf das Interesse des Klägers bzw. des Rechtsmittelklägers an. Nicht streitwertrelevant (von Ausnahmefällen wie etwa der Hilfsaufrechnung und der Widerklage abgesehen) ist das Vorbringen des Gegners. Der Rechtsmittelstreitwert (Beschwerdewert) richtet sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung; dies ist beim Kläger dessen formelle Beschwer, das heißt die Differenz zwischen dem, was er beantragt hatte, und dem was ihm zuerkannt wurde, und beim Beklagten dessen materielle Beschwer, d.h. das, wozu er verurteilt wurde. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass im Falle der Verurteilung zur Auskunft für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, und dass sich dieses, abgesehen von den Fällen eines besonderen Geheimhaltungsinteresses, nach dem Aufwand an Zeit und Kosten richtet, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert.
d) Bewertungszeitpunkt ist Instanzeinleitung
Rz. 43
Nach § 40 GKG ist grundsätzlich der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung entscheidend, zum Beispiel Einreichung der Klage, der Klageerweiterung oder der Widerklage.
e) Vorläufige Wertfestsetzung
Rz. 44
Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwer...