a) Testamentsanfechtung und Schiedsgericht
Rz. 15
Materiellrechtliche Folgen einer Anfechtungserklärung dürften der schiedsrichterlichen Entscheidung nach hier vertretener Auffassung unterfallen. Zu beachten ist allerdings, dass Anfechtungserklärungen gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben sind und nicht gegenüber dem Schiedsgericht, §§ 2081, 2281 BGB.
b) Beseitigung der Schiedsklausel durch Ausschlagung, § 2306 BGB?
Rz. 16
Sowohl für die Beantwortung der Frage nach den Folgen einer Ausschlagungserklärung zum Zwecke der "Entsorgung" einer Schiedsklausel als auch im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit einer bindenden Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit (bzw. der Streichung einer Schiedsklausel in gemeinschaftlichen Testamenten) ist zunächst die rechtsdogmatische Einordnung der Schiedsklausel zu klären. Wenn die Schiedsklausel als Auflage zu qualifizieren wäre, käme eine Ausschlagung i.S.d. § 2306 BGB ohne Verlust des Pflichtteilsrechts in Betracht. Nur als Auflage wäre die Schiedsklausel wechselbezüglich i.S.d. § 2270 Abs. 3 BGB anzuordnen.
Die Bestimmung der Rechtsnatur der Schiedsklausel bereitet erhebliche Schwierigkeiten, weil das Gesetz dazu schweigt. Das Reichsgericht hat diese Frage in seiner Entscheidung offengelassen und lediglich die Zulässigkeit einer solchen Schiedsklausel bejaht. Nach Ansicht Kohlers handelt es sich bei einer Schiedsklausel um eine Auflage, wenn der Erblasser dem Schiedsgericht die ausschließliche Zuständigkeit einräumt.
aa) Schiedsklausel als Auflage
Rz. 17
Eine Mindermeinung sieht die Schiedsklausel als materiellrechtliche Anordnung einer Auflage durch den Erblasser, wobei eine Begründung für diese Auffassung nicht erkennbar wird.
bb) Letztwillige Schiedsklausel als Verfügung "sonstigen Inhalts"?
Rz. 18
Andere Stimmen in der Literatur gehen dagegen davon aus, dass es sich um eine Verfügung "sonstigen Inhalts" handele, die nicht unter eines der in den §§ 1937–1941 BGB ausdrücklich erwähnten Rechtsinstitute zu subsumieren sei. Die Anordnung einer letztwilligen Schiedsklausel ist z.B. der Benennung eines Vormunds nach § 1777 Abs. 3 BGB oder einer Pflichtteilsentziehung nach §§ 2333 ff. BGB vergleichbar.
Rz. 19
In der Tat dürfte es sich bei der letztwilligen Einsetzung eines Schiedsgerichts nicht um eine Auflagenanordnung handeln, sondern um eine Anordnung eigener Art, vergleichbar einer Vormundbenennung nach § 1777 BGB oder einer Verwaltungsanordnung nach § 1638 BGB. Der prozessuale Charakter der Schiedsklausel tritt auch in § 1032 ZPO deutlich hervor.
Rz. 20
Im Hinblick auf die Bindung an eine angeordnete Schiedsklausel gilt, dass diese, soweit sich ihr Regelungsumfang innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegt (vgl. dazu Rdn 11), nicht einseitig abbedungen werden können. Keiner der Beteiligten kann der Anordnung einer von ihr unerwünschten Schiedsgerichtsbarkeit durch einseitige Erklärung entkommen. Wohl aber könnten sich die Beteiligten darauf verständigen, die Schiedsklausel zu ignorieren. Ob dies aber auch für den Fall gilt, dass sich der Berechtigte der Ausschlagung bedient, um sich dadurch der Schiedsklausel zu entziehen (§ 2306 BGB), ist sehr umstritten. Die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung hat über diese Frage nicht zu befinden gehabt. Bemerkenswert an dem vom OLG München und dem BGH entschiedenen Fall ist die Tatsache, dass sich dort nicht der Pflichtteilsberechtigte sondern der Erbe auf die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens berufen hatte, was in der Literatur Anlass zur Diskussion über die Frage einer Schutzbedürftigkeit des Erben geführt hat.
Rz. 21
Wendt und Bandel ist darin zuzustimmen, dass die Entscheidungen des BGH aus dem Jahre 2017 in ihrer Tendenz erkennen lassen, dass die Rechtsprechung von einer Beeinträchtigung der Rechte von Beteiligten (Erben als auch Pflichtteilsberechtigten) ausgeht. Bandel sieht in der Schiedsklausel eine "Auflagengleichheit", die mit der Schiedsverfügung zwingend einhergehe, da diese stets zu einer Beeinträchtigung der Rechte oder zu zusätzlichen Pflichten führe. Dieses dürfte zutreffen, weil die Schiedsgerichtsbarkeit in der Regel eine Verkürzung des Instanzenzuges beinhaltet, aber auch, weil die Beteiligten eines Schiedsverfahrens schlussendlich in eine vertragliche Beziehung zum Schiedsrichter bzw. einer Schiedsinstitution eintreten. Erst Recht muss dieses für Fälle gelten, in denen das Schiedsgericht nach Billigkeit entscheiden soll, z.B. weil dies in der Schiedsordnung vorgesehen ist.
Rz. 22
Indes sollten die Gegenmeinungen nicht völlig übersehen werden, die z.T. eine strikt analogiefeindliche Auslegung des Beschwerungsbegriffs des § 2306 BGB vertreten. Je nach Ausprägung führen diese Auffassungen dazu, dass mit einer Ausschlagung in Fällen in denen lediglich eine mögliche Beschwerung durch eine Schiedsklausel vorliegt, der komplette Verlust aller Ansprüche eintreten kann. Eine gesetzgeberische Klarstellung erscheint wünschenswer...