I. Auslegungsbedürftige Verfügungen von Todes wegen
Rz. 44
Wenngleich die Auslegung letztwilliger Verfügungen in die Kompetenz des Schiedsgerichts fällt, können sich daraus praktische Probleme ergeben, wenn der Erblasser eine auslegungsbedürftige Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat und der pflichtteilsberechtigte Kläger nicht weiß, gegen wen er seine Klage richten soll bzw. wenn die Beklagten im Prozess unter Bezugnahme auf die Schiedsordnung einwenden, dass für die Frage der Entscheidung über die Erbenstellung der ordentliche Gerichtsweg nicht zulässig ist. Dies gilt im Übrigen nicht nur für den Pflichtteilsberechtigten, sondern auch für alle übrigen Nachlassgläubiger.
Als Lösung könnte zum einen die Aussetzung des Verfahrens und die richterliche Anordnung, die Frage des Nachlassschuldners vor dem Schiedsgericht klären zu lassen, in Betracht kommen. Möglich wäre aber auch die Anordnung einer Klagepflegschaft nach §§ 1960 Abs. 1 S. 1, 1961 BGB, wenn die Erbfolge ungewiss ist.
Auf der Ebene der Gestaltung einer letztwilligen Verfügung bietet sich die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers zur Vermeidung solcher Probleme an.
II. Die sachlichen Grenzen des Schiedsverfahrens
Rz. 45
Das Schiedsverfahren erfährt folgende Grenzen:
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Verstoß des Schiedsspruchs gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts |
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§ 1042 ZPO: Einhaltung unverzichtbarer Verfahrensregeln:
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Rechtliches Gehör |
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Ermittlung des Sachverhalts |
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Zulassung von Rechtsanwälten |
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§ 2065 BGB: Nach dieser Vorschrift kann der Erblasser die Bestimmung des Erben nicht einem Dritten überlassen. Er kann auch nicht anordnen, dass ein anderer bestimmen soll, ob eine letztwillige Verfügung gelten solle oder nicht. Mit anderen Worten: Das Schiedsgericht kann nicht an die Stelle des Erblassers treten. Es kann den Erben nicht auswählen. |
III. Gestaltung des Verfahrensrechts durch die Parteien
Rz. 46
Das Schiedsgericht kann gem. § 1042 Abs. 3, 4 ZPO im Rahmen seiner Bestellung
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entsprechend der dem Verfahren zugrunde gelegten Schiedsordnung bzw. Schiedsvereinbarung, oder – sofern es eine Schiedsordnung nicht gibt – |
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nach dem Inhalt des zwischen den Schiedsparteien und dem/den Schiedsrichter/n geschlossenen Schiedsrichtervertrags (nicht zu verwechseln mit der Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien), |
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nach der jeweiligen nationalen Prozess- oder Verfahrensordnung, |
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und im Übrigen nach freiem Ermessen entscheiden. Die Grenze bilden der ordre public und die guten Sitten, §§ 1034, 1041 ZPO. |
IV. Empfehlungen aus der Praxis
Rz. 47
Das Schiedsverfahren sollte sich im Wesentlichen aus folgenden vier Gründen an dem staatlichen Verfahrens- und Prozessrecht orientieren, an dem das Schiedsgericht seinen Sitz hat – hier also nach deutschem bzw. schweizerischem Verfahrensrecht:
1. |
Zum einen sind überwiegend Juristen als Schiedsrichter tätig, sie kennen ihr eigenes Verfahrensrecht von ihrer Ausbildung her. |
2. |
Je individueller die Verfahrensregeln sind, umso größer ist das Risiko, dass Verfahrensregeln verletzt werden. |
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Bei streitigen Verfahrensfragen kann auf die einschlägige Rechtsprechung und Kommentarliteratur zurückgegriffen werden. |
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Im Falle des Erfordernisses der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs verkürzt die Anwendung staatlichen Rechts das Anerkennungsverfahren und mindert das Risiko der Aufhebung des Schiedsspruchs (§ 1059 ZPO). |
V. Vorrang des Schiedsverfahrens gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit
1. Einrede der Schiedsvereinbarung
Rz. 48
Das schiedsgerichtliche Verfahren hat Vorrang vor der staatlichen Gerichtsbarkeit, § 1026 ZPO.
Sollte dennoch vor einem staatlichen Gericht eine Klage erhoben werden, deren Streitgegenstand einem schiedsrichterlichen Verfahren untersteht, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Allerdings muss der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung durch eine Rüge geltend machen, § 1032 Abs. 1 ZPO.
Ein staatliches Gericht – das OLG – darf nur in den in § 1062 ZPO genannten Fällen tätig werden.
2. Entscheidung über Einrede durch Zwischenurteil
Rz. 49
Über die Einrede der Schiedsvereinbarung kann gem. § 280 ZPO ein Zwischenurteil ergehen, das in Bezug auf die Rechtsmittel wie ein Endurteil behandelt wird, § 280 Abs. 2 ZPO.
3. Feststellungsinteresse bezüglich Wirksamkeit der Schiedsklausel
Rz. 50
Die Frage der Wirksamkeit einer Schiedsklausel kann gem. § 256 Abs. 1 ZPO in einem Feststellungsprozess geklärt werden. Der Zulässigkeit des Antrags auf Feststellung der Unwirksamkeit der Anordnung des Schiedsgerichts steht nicht entgegen, dass die Beklagtenseite gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es werde Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsklausel ist. Diese Rechtsfolge des § 1032 Abs. 1 ZPO tritt dann nicht ein, wenn das Gericht feststellt, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist. Daraus folgt, dass über die Gültigkeit, die Wirksamkeit und die Durchführbarkeit der Schiedsklausel eine Sachentscheidung durch ein staatliches Gericht getroffen werden kann.
Rz. 51
Ein Feststellungsantrag ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil der Kläger keinen Antrag auf Unzulässigkeitserklärung des schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO vor dem Oberlandesgericht gestellt hat. Beide Verfahren – sowohl das nach § 1032 Abs. 2 ZPO als auch die Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO – sind grundsätzlich zulässig. F...