aa) Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV
Rz. 279
Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Sozialgericht erhält der Anwalt zunächst eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV. Die Anrechnung einer vorangegangenen Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV kommt nicht in Betracht. Hauptsacheverfahren und Aufhebungs- oder Anordnungsverfahren sind nach § 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten. Beide Instanzenzüge sind voneinander völlig unabhängig zu betrachten. Das Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren geht nur dem Hauptsacheverfahren voran, nicht auch dem Eilverfahren.
bb) Terminsgebühr
Rz. 280
Kommt es zu einem Termin i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV, erhält der Anwalt zusätzlich eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV.
Rz. 281
Ausgelöst wird die Terminsgebühr in allen Fällen der Vorbem. 3 Abs. 3 Var. VV. Sie entsteht also sowohl für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV) als auch für eine Besprechung mit der Behörde zur einvernehmlichen Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV). Dass im einstweiligen Anordnungsverfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, ist insoweit unerheblich, da Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV eine solche Einschränkung nicht enthält.
Rz. 282
Dagegen kann eine Terminsgebühr nicht unter den Voraussetzungen der Anm. S. 1 zu Nr. 3106 VV entstehen, also weder bei einem angenommenen Anerkenntnis noch einem schriftlichen Vergleich, da eine mündliche Verhandlung in diesen Verfahren nicht vorgeschrieben ist (§ 124 Abs. 3, § 86 Abs. 4 SGG).
cc) Einigungs- oder Erledigungsgebühr
Rz. 283
Eine Erledigungsgebühr kommt im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht vor, da es hier nicht um den in der Hauptsache angefochtenen Bescheid geht. Möglich ist allerdings eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1006 VV, wenn im Einvernehmen mit der Behörde eine vorläufige Regelung getroffen wird. Einigungen sind auch im einstweiligen Anordnungsverfahren möglich.
dd) Auslagen
Rz. 284
Da es sich bei den einstweiligen Anordnungsverfahren um eigene Gebührenangelegenheiten handelt, entstehen auch die Auslagen gesondert. Insbesondere erhält der Anwalt eine eigene Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV.
ee) Die Höhe der Gebühren
Rz. 285
Zum Teil wird auch hier die Auffassung vertreten, die Gebühren seien im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG grundsätzlich geringer anzusetzen, da das einstweilige Anordnungsverfahren eine geringere Bedeutung habe (keine endgültige Klärung) und dass in diesem Verfahren Vorkenntnisse aus dem Hauptsacheverfahren verwertet werden können. Diese pauschale Bemessung ist jedoch unzutreffend. Die einstweilige Anordnung auf Gewährung bestimmter Leistungen kann erhebliche Bedeutung haben, zumal auch hier – wenn auch andere – schwierige Fragen zu klären sein können. Zudem besteht für den Anwalt ein Zeitdruck, der wiederum höhere Gebühren rechtfertigt.
Rz. 286
In den nachfolgenden Berechnungen wird grundsätzlich von der Mittelgebühr ausgegangen. Soweit im Einzelfall höhere oder niedrigere Gebühren angemessen sind, hat dies nur Auswirkungen auf die Höhe der Beträge. An den abgerechneten Gebührentatbeständen ändert sich nichts.
Beispiel 156: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren
Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Über den Antrag wird ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Es entsteht nur die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV.
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
|
360,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
380,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
72,20 EUR |
Gesamt |
|
452,20 EUR |
Rz. 287
Beispiel 157: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren mit gerichtlichem Termin
Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Nach mündlicher Verhandlung ergeht die beantragte Anordnung.
Es entsteht neben der Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV jetzt auch die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV).
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
|
360,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
|
335,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
715,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
135,85 EUR |
Gesamt |
|
850,85 EUR |
Rz. 288
Beispiel 158: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren mit Besprechung
Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Er führt mit dem Sachbearbeiter der Behörde eine Besprechung, allerdings ohne Ergebnis.
Auch jetzt entsteht neben der Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV auch die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV). Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel.
Rz. 289
Dagegen fällt eine Terminsgebühr im einstweiligen Anordnungsverfahren weder bei einem angenommenen Anerkenntnis noch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs an.
Beispiel 159: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren mit angenommenem Anerkenntnis