Jürgen Beck, Jürgen Brand
Rz. 72
Unabhängig vom Eintritt einer Sperrzeit kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld gem. § 158 SGB III ruhen, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet wurde.
I. Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung
Rz. 73
Alle im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Leistungen fallen unter den Begriff der Abfindung. Es ist gleichgültig, wie die Leistungen von den Beteiligten bezeichnet werden (BSG v. 3.3.1993 – 11 RAr 57/92, SozR 3–4100 § 117 Nr. 10). Notwendig ist nur, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Gewährung der Leistung besteht. Ein solch kausaler Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Gewährung der Leistung besteht nicht, wenn der Arbeitslose anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Leistungen erhält, die er während seiner Beschäftigung erworben hat (z.B. Gewinnausschüttungen, Prämien, anteiliges zusätzliches Monatsentgelt). Der Ursachenzusammenhang entfällt allerdings nicht, wenn die Abfindung nicht nur bei vorzeitiger Beendigung, sondern auch bei Einhaltung der Kündigungsfrist zu zahlen gewesen wäre (BSG v. 21.9.1995 – 11 RAr 41/95, BSGE 76, 294). § 158 SGB III geht bezüglich des Abfindungsbetrages typisierend von der Annahme aus, dieser enthalte Arbeitsentgeltanteile, wenn im Hinblick auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Kündigungsfristen nicht gewahrt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wenn der Abfindungsbetrag aufgrund eines Sozialplans gezahlt wird, Bayerisches LSG v. 14.12.2016 – L 10 AL 265/15. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 158 Abs. 1 SGB III bei einer vom Arbeitgeber nach § 13 Abs. 1 S. 3 i.V.m. §§ 9, 10 KSchG gezahlten Entlassungsentschädigung. Dies gilt auch für den Fall, dass nach einer unbegründeten ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis durch arbeitsgerichtliches Urteil zum Zeitpunkt der Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wird. Löst das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis wegen einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung auf, weil dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, so erfolgt dies zu dem Zeitpunkt, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Die dem Arbeitnehmer in diesem Fall zugesprochene Abfindung enthält folglich keine Arbeitsentgelte, sondern dient voll dem Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes. Anders verhält es sich dagegen bei einer Auflösung durch Urteil im Anschluss an eine unbegründete außerordentliche Kündigung. Ist dem Arbeitnehmer trotz Unbegründetheit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar, so löst das Gericht das Arbeitsverhältnis nach § 13 Abs. 1 KSchG i.V.m. § 9 Abs. 2 KSchG zu dem Zeitpunkt auf, zu dem es bei begründeter außerordentlicher Kündigung geendet hätte. In diesem Fall enthält die Abfindung regelmäßig das dem Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist entgangene Arbeitsentgelt.
Der Zweck des § 158 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB III ist es, eine gleichzeitige Zahlung von Arbeitslosengeld und von in der Abfindung enthaltenem Arbeitsentgelt zu vermeiden, LSG NRW v. 11.12.2014 – L 9 AL 49/14.
Rz. 74
Zahlungen, die als Abfindungen bezeichnet worden sind und dem finanziellen Ausgleich von weggefallenem laufendem Arbeitsentgelt dienen, weil eine vereinbarte übertarifliche Vergütung durch Vertragsänderung auf die Tarifvergütung zurückgeführt wird, unterliegen als einmalig gezahlte Arbeitsentgelte der Beitragspflicht (BSG v. 28.1.1999 – B 12 KR 6/98 R, zfs 2000, 52). Danach sind auch solche Abfindungen Arbeitsentgelt, die bei Fortsetzung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach einer Änderungskündigung oder nach einer einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages als Gegenleistung für die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen gezahlt werden. Eine Abfindung wäre ohne die bisherige Beschäftigung und deren Fortsetzung zu den geänderten Arbeitsbedingungen nicht vereinbart und nicht gezahlt worden. Sie ersetzt daher in Form einer pauschalierten Abgeltung einen Teil der Vergütung, die ohne Änderung der Arbeitsbedingungen zu zahlen und als Arbeitsentgelt beitragspflichtig gewesen wäre.
Rz. 75
Ausgleichszahlungen wegen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im weiter bestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sind zweifelsfrei Arbeitsentgelt und unterliegen der Beitragspflicht, wenn das früher höhere Arbeitsentgelt stufenweise abgeschmolzen und so auf den letztlich niedrigeren Betrag zurückgeführt oder wenn das für die geänderte Beschäftigung zu zahlende Arbeitsentgelt vorübergehend um die Differenz zum bisherigen Arbeitsentgelt aufgestockt werden soll. Werden solche Ausgleichsleistungen während eines noch andauernden versicherungspflichtigen B...