Jürgen Beck, Jürgen Brand
Rz. 20
Der Arbeitnehmer muss die Arbeitslosigkeit herbeigeführt haben. Das ist nur der Fall, wenn die Kündigung bzw. seine Mitwirkung am Aufhebungsvertrag Ursache der Arbeitslosigkeit ist (LSG Baden-Württemberg v. 24.2.2017 – L 8 AL 3805/16; BSG v. 8.7.2009 – B 11 AL 17/08 R; BSG, v. 25.4.1990 – 7 RAr 84/88 und 7 RAr 106/89, SozSich 1991, 94 = NZA 1990, 791). Zwischen der Kündigung bzw. Mitwirkung an dem Aufhebungsvertrag und der Arbeitslosigkeit muss ein kausaler Zusammenhang bestehen.
Rz. 21
Ein kausaler Zusammenhang wird nicht dadurch beseitigt, dass die Kündigung nachträglich z.B. durch eine Vereinbarung ersetzt wird. Wirken mehrere Ursachen mit, ist eine Kündigung nicht als wesentliche Ursache der Arbeitslosigkeit anzusehen, wenn diese z.B. bei pflichtgemäßer Vermittlungstätigkeit der Arbeitsagentur nicht eingetreten wäre (BSG v. 8.12.2016 – B 11 AL 5/15 R; BSG, 28.6.1991 – 11 RAr 81/90, SozR 3–4100 § 119 Nr. 6).
Rz. 22
Der Arbeitslose muss gewusst haben, dass er wegen seiner Handlung arbeitslos werden würde oder es nur deswegen nicht gewusst haben, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hatte. Durch eine Eigenkündigung oder eine Mitwirkung an einem Aufhebungsvertrag führt ein Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit i.d.R. mindestens grob fahrlässig herbei, wenn nicht konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz bestehen (BSG v. 12.10.2017 – B 11 AL 17/16 R m.w.N.; BSG, 12.11.1981 11 RAr 21/81, SozR 4100 § 119 Nr. 17). Eine konkrete Aussicht liegt vor, wenn ernst zu nehmende Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz bestanden haben. Eine feste Zusicherung des möglichen neuen Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Grobfahrlässig handelt ein Arbeitnehmer, wenn auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt vernünftigerweise mit einem Anschlussarbeitsplatz nicht zu rechnen war. Wurde ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht abgemahnt, kann dies die grobe Fahrlässigkeit ausschließen, weil der Arbeitnehmer möglicherweise nicht mit einer Kündigung rechnen musste. Alkohol- oder Suchtmittelabhängige handeln im Allgemeinen nicht grob fahrlässig, wenn die Sucht bereits als Krankheit zu beurteilen ist (Bayerisches LSG v. 15.7.2010 – L 9 AL 140/07 unter Hinweis auf BSG v. 6.3.2003 – B 11 AL 69/02 R –, BSGE 91, 18–23; BSG, 15.2.1978 – 3 RK 29/77, SozR 2200 § 184a Nr. 1). Demgegenüber hat ein Berufskraftfahrer, dem die Fahrerlaubnis wegen Verkehrsverstößen anlässlich einer Privatfahrt entzogen wurde, die Kündigung grob fahrlässig herbeigeführt (LSG NRW v. 2.2.2015 – L 9 AL 296/14 B; BSG v. 25.8.1981 – 7 RAr 44/80, BB 1982, 559). Der Kirchenaustritt einer an einem katholischen Krankenhaus beschäftigten evangelischen Krankenschwester ist nicht grob fahrlässig (BSG v. 5.12.2006 – B 11a AL 95/06 B m.w.N.; SG Münster v. 13.6.1989 – S 12 Ar 128/88, NZA 1990, 1000).
Rz. 23
Die Arbeitsverwaltung und die Sozialgerichte haben von Amts wegen zu prüfen, ob der Arbeitnehmer durch vertragswidriges Verhalten Anlass für die Kündigung gegeben hat. Entscheidungen der Arbeitsgerichte haben für die Sozialgerichte in aller Regel keine Bindungswirkung! Auch ein arbeitsgerichtlicher Vergleich entfaltet für das anschließende Verwaltungsverfahren oder sozialgerichtliche Verfahren keine Bindungswirkung. Es ist z.B. unbeachtlich, wenn eine verhaltensbedingte Kündigung vor dem ArbG vergleichsweise in eine betriebsbedingte Kündigung umbenannt wird, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht tatsächlich vorgelegen haben (SG Karlsruhe v. 28.9.2016 – S 17 AL 699/16, Rn 38 m.w.N.; BSG v. 25.4.1991 – 11 RAr 99/90, NZA 1992, 95).