Jürgen Beck, Jürgen Brand
1. Bisherige Rechtsprechung
Rz. 24
Eine Sperrzeit tritt nicht ein, wenn der Arbeitslose für sein (an und für sich zu missbilligendes) Verhalten einen wichtigen Grund hat. Was ein wichtiger Grund ist, kann nicht abschließend dargestellt werden. Jedenfalls gehören hierzu die seinerzeit in § 78 AVAVG enthaltenen Gründe (zu geringes Arbeitsentgelt, sittliche Gefährdung an der Arbeitsstelle usw.). Ein wichtiger Grund ist jedenfalls auch anzunehmen, wenn die Annahme einer Arbeitsstelle "unzumutbar" ist. Der wichtige Grund muss objektiv vorliegen, es ist nicht erforderlich, dass ihn der Arbeitnehmer kennt (BSG v. 12.10.2017 – B 11 AL 17/16 R m.w.N.; BSG v. 28.6.1991 – 11 RAr 81/90, NZA 1992, 285).
Rz. 25
Ein wichtiger Grund kann nur angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer erfolglos einen zumutbaren Versuch unternommen hat, diesen Grund zu beseitigen. Dem steht gleich, wenn von vornherein feststeht, dass ein solcher Versuch erfolglos geblieben wäre.
Rz. 26
Ein wichtiger Grund liegt immer vor, wenn der Arbeitnehmer nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen berechtigt war, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Allerdings ist der wichtige Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB nicht mit dem wichtigen Grund i.S.d. § 159 SGB III identisch. Eine Sperrzeit kann nicht nur bei fristlosen, sondern auch bei ordentlichen Kündigungen eintreten.
Rz. 27
Ein Irrtum des Arbeitslosen über die Rechtsfolgen einer Lösung des Beschäftigungsverhältnisses kann nur dann zur Verminderung der Regeldauer einer Sperrzeit führen, wenn er durch die konkrete Auskunft einer hiermit vertrauten Stelle – i.d.R. einer Dienststelle der BA – hervorgerufen oder gestützt wurde (BSG v. 4.4.2017 – B 11 AL 19/16 R, Rn 38 m.w.N.; BSG v. 5.6.1997 – 7 RAr 22/96, SozR 3–4100 § 119 Nr. 13).
2. Neuere Rechtsprechung und aktuelle Weisungen der BA
Rz. 28
Die früher sehr restriktive Verwaltungspraxis und (ihr folgend) die Rspr. zur Annahme eines wichtigen Grundes bei Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses durch einen Beteiligungssachverhalt, insb. durch einen Aufhebungsvertrag, wird durch die neuere Rspr. und (ihr folgend) die neue Fachliche Weisung (FW)/DA/GA der BA erheblich entschärft.
a) BSG-Urt. v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R (NJW 2006, 3514)
Rz. 29
In seinem Urt. v. 12.7.2006 (B 11a AL 47/05 R) hat das BSG entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der zur Vermeidung einer sonst erfolgenden objektiv sozial gerechtfertigten Arbeitgeberkündigung einen Aufhebungsvertrag mit Abfindungsvereinbarung abschließt, wonach das Arbeitsverhältnis zum selben Zeitpunkt wie bei der Kündigung endet, sich unter Umständen auf einen wichtigen Grund berufen kann, der eine Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ausschließt. Hiermit können weitreichende Folgen verbunden sein. Das Gericht hat ausgeführt: Obwohl der Kläger durch Abschluss des Aufhebungsvertrages sein Arbeitsverhältnis gelöst habe, hätte eine Sperrzeit nicht verhängt werden dürfen, weil er dafür einen wichtigen Grund hatte. Ihm drohte nach den Feststellungen des LSG ohne die mit dem Arbeitgeber getroffene Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum gleichen Zeitpunkt eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung, gegen die er sich arbeitsrechtlich nicht erfolgreich hätte zur Wehr setzen können. Bei einem derartigen Sachverhalt stehe dem Interesse des Klägers, sich durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zumindest eine Abfindung zu sichern, kein gleichwertiges Interesse der Versicherten an einem Abwarten der angedrohten Arbeitgeberkündigung ggü. Es brauchten keine zusätzlichen Gründe hinzuzutreten, die ein Ausharren für den Arbeitnehmer unzumutbar machten.
b) Weisungen (seit 2017 "Fachliche Weisung" [FW], vorher Geschäftsanweisung [GA] bzw. Dienstanweisung [DA]) der BA 10/2007
Rz. 30
Dieses Urteil hat die BA zum Anlass genommen, ihre Weisungen entsprechend zu ändern (früher DA 10/2007).
Rz. 31
Zunächst bleibt es dabei, dass die Nichtannahme einer Änderungskündigung nicht einer Arbeitnehmerkündigung gleichzusetzen ist. Allerdings kann eine Sperrzeit ausgelöst werden, wenn die Nichtannahme einer Änderungskündigung eine Arbeitgeberkündigung nach sich zieht. Hier ist aber der Prüf-Focus nicht auf die Nichtannahme der Änderungskündigung, sondern auf die Arbeitgeberkündigung zu setzen.
Rz. 32
Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist im Allgemeinen eine vorherige Abmahnung nach der arbeitsgerichtlichen Rspr. erforderlich. Hier gibt es allerdings Ausnahmen.
Rz. 33
Die hier im Mittelpunkt stehende Frage, ob der Aufhebungsvertrag eine Sperrzeit auslöst, ist insofern nicht unproblematisch, weil ein Auflösungssachverhalt sicherlich gegeben ist. Schließlich kann ein Vertrag wie der Aufhebungsvertrag nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers zustande kommen.
Rz. 34
Allerdings ist immer ein aktives Tun erforderlich wie z.B. eine Vereinbarung über eine noch auszusprechende Arbeitgeberkündigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach einer Arbeitgeberkündigung innerhalb der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage oder auch die Anregung des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber möge ihn kündigen!
Rz. 35
Da immer ein aktives Tun erforderlich ist, um eine Sperrzeit auszulösen, ist die bloße Hinnahme einer Kündigung unschädlich. Die DA de...