Rz. 5

Die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen (nach deutschem Verständnis: von Fahrerlaubnissen[25]) setzt voraus, dass der ausstellende Mitgliedstaat die Erteilungsvoraussetzungen geprüft und bejaht hat. Das ist etwa nicht der Fall, wenn lediglich ein Ersatzführerschein ohne jede Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen ausgestellt wird.[26]

[25] In der europarechtlichen Diktion – sowohl in den Rechtsgrundlagen wie in den Entscheidungen des EuGH – ist durchgängig nur von "Führerschein" die Rede. Die Unterscheidung zwischen der Fahrberechtigung – der FE – und dem Dokument, das diese Erlaubnis verkörpert – dem Führerschein – wird nicht vorgenommen. Mitunter wird das auch nicht stimmig durchgehalten (vgl. EuGH v. 19.2.2009 – C-321/07, "Schwarz", DAR 2009, 191 – dort werden die Begriffe "Führerschein" und "Fahrerlaubnis" nebeneinander gebraucht). Auf die daraus folgende Unschärfe, ob mit dem europarechtlichen Begriff "Führerschein" die FE oder das Dokument gemeint sind, muss an dieser Stelle hingewiesen werden. In der vorliegenden Darstellung der Problematik wird der europarechtliche Begriff "Führerschein" verwendet, um keine unterschiedliche Diktion zu den europarechtlichen Texten aufzubauen; es wird auf die Unterscheidung von FE und Führerschein nach deutschen Führerscheinrecht hingewiesen, soweit das im Einzelfall für das Verständnis erforderlich ist.
[26] BVerwG v. 29.1.2009, NZV 2009, 306: Die bloße Erneuerung [Datum der Erteilung der FE!] eines von einem anderen Staat ausgestellten Führerscheindokuments nach Entzug im Inland stellt keine Ausstellung eines Führerscheins dar, bei der die Erteilungsvoraussetzungen geprüft wurden.

1. Umtausch

 

Rz. 6

Der Begriff "Umtausch" eines Führerscheins ist in Art. 11 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie genannt. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen, wenn er seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet. Es ist Sache des ausstellenden Mitgliedstaates, zu prüfen, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist.[27]

Welche verwaltungsrechtlichen Folgen ein solcher Umtausch hat, ist in der Richtlinie nicht klar festgelegt. Wird bei einem Umtausch eine FE durch einen EU-Mitgliedstaat erteilt, muss diese grundsätzlich von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden. Denn durch die Fahrerlaubniserteilung wird dokumentiert, dass der Ausstellerstaat geprüft hat, ob die Voraussetzungen der Erteilung vorgelegen haben. Das führt zu einer Zäsur, sodass eine früher festgestellte Nichteignung gegen die Gültigkeit der neuen Erlaubnis nicht mehr eingewendet werden kann. Wird dagegen beim Umtausch nur ein anderes Führerscheindokument ausgegeben, kommt es darauf an, ob die früher erteilte FE noch gültig ist (siehe unten Rdn 8). Die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung greift dann nicht.

 

Rz. 7

Hat eine Eignungsprüfung beim Umtausch stattgefunden, so ist eine neue FE erteilt worden. Die Abgrenzung von einer bloßen Dokumentenerneuerung (ohne Anerkennungsfolge) von der Erteilung einer neuen FE (mit Anerkennungsfolge) ist mitunter schwierig.

Der deutsche Gesetzgeber etwa hat Art. 11 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie in § 30 FeV wie auch § 30a FeV (Rückumtausch) umgesetzt. In § 30 FeV ist von der Erteilung einer FE die Rede, wenn ein Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis diese in eine deutsche umtauscht. Nach § 30a Abs. 1 S. 1 FeV bleibt bei einem Rückumtausch (deutscher Führerschein in einen ausländischen, der in einen deutschen Führerschein zurückgetauscht wird) die FE unverändert bestehen. Damit handelt es sich bei dieser besonderen Konstellation des Rückumtauschs nur um den Austausch des Dokuments.

Ein bloßer Dokumentenumtausch liegt etwa dann vor, wenn ein tschechischer Führerschein mit Eintrag eines deutschen Wohnortes in einen tschechischen Führerschein ohne Eintrag eines Wohnortes ausgetauscht wird, die Erteilungsdaten des "alten" wie des "neuen" Führerscheins aber gleich sind.[28]

Der Eintrag des Gemeinschaftscodes "70" in Feld 12 des Führerscheindokuments entsprechend den Anhängen zu den Führerschein-Richtlinien[29] kann auf einen Umtausch des Führerscheindokuments hindeuten, wobei der nachgestellte Buchstabe den Staat bezeichnet, der das ursprüngliche Dokument ausgestellt hat.[30]

In seiner neueren Rechtsprechung[31] neigt das Bundesverwaltungsgericht dazu, dass ein Umtausch eines Führerscheins in eine FE mit umfassenderer Fahrberechtigung im Sinne des im zugrundeliegenden Fall anzuwendenden Art. 8 Abs. 1 der Zweiten Führerschein-Richtlinie (Art. 11 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie) als Erteilung einer FE anzusehen ist. Ein solcher Umtausch setzt voraus, dass der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat der EU ausgestellten Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet hat. Dann kann der Mitgliedstaat e...

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