1. Große Entfernung
Rz. 49
Die große Entfernung zwischen Wohn- und Gerichtsort ist als solche nicht geeignet, das Ausbleiben des Betroffenen in der Hauptverhandlung zu entschuldigen (OLG Köln DAR 2000, 180).
2. Ausbleiben des Verteidigers
Rz. 50
Außer in ganz einfachen und geringfügigen Bußgeldsachen ist der Betroffene auch entschuldigt, wenn er sich weigert, ohne seinen Verteidiger zu verhandeln. Der Betroffene hat nämlich einen Anspruch auf Beistand seines Verteidigers (OLG Hamm zfs 2009, 470; OLG Karlsruhe NZV 2011, 95; OLG Oldenburg NZV 2011, 96; OLG Dresden zfs 2013, 530).
3. Unrichtige Auskunft des Verteidigers
Rz. 51
Zwar kann der Betroffene grundsätzlich auf die Auskünfte seines Verteidigers vertrauen, steht aber der Hinweis des Verteidigers, der Betroffene brauche zu dem Gerichtstermin nicht zu erscheinen, im klar erkennbaren Widerspruch zum Inhalt der ihm zugegangenen Ladung, so muss er diesen Widerspruch durch Nachfrage bei Gericht aufzuklären versuchen (OLG Frankfurt NZV 2016, 491).
Das soll insbesondere dann gelten, wenn der Verteidiger erklärt, die Verhandlung werde wegen eines Vertagungsantrages oder der Stellung eines Befangenheitsantrages nicht stattfinden (LG Berlin NZV 2006, 166). Andernfalls ist sein Fernbleiben im Termin nicht als entschuldigt anzusehen (BayObLG DAR 2003, 129).
4. Ladungsfrist
Rz. 52
Das Nichteinhalten der Ladungsfrist hindert die Verwerfung des Einspruches nur dann, wenn der Betroffene oder sein Verteidiger die Nichteinhaltung ausdrücklich gerügt hatte (LG Aachen DAR 2002, 468).
5. Krankheit
Rz. 53
Die Vorlage eines die Verhinderung begründenden ärztlichen Attestes stellt eine ausreichende Entschuldigung dar, selbst wenn die Art der Erkrankung nicht oder nur Arbeits- und/oder Reiseunfähigkeit angegeben ist (OLG Hamm NZV 2009, 247; KG NZV 2018, 434; OLG Bamberg DAR 2019, 100).
Die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes kann jedenfalls nicht verlangt werden (OLG Jena NZV 1997, 494).
Rz. 54
In Fällen einer Erkrankung ist der Betroffene nicht erst dann entschuldigt, wenn er verhandlungsunfähig ist, sondern bereits, wenn ihm infolge der Erkrankung das Erscheinen vor Gericht nicht zugemutet werden kann (KG NZV 2002, 421; NZV 2018, 434). Zwar reicht ein Arbeitsunfähigkeitsattest nicht aus, um die Reise- und Verhandlungsunfähigkeit zu beweisen, es ist aber ein starkes Indiz hierfür, so dass es schon erheblicher Gegengründe bedarf, um eine genügende Entschuldigung verneinen zu können (OLG Stuttgart DAR 2004, 165).
Rz. 55
Hat das Gericht an der krankheitsbedingten Verhinderung des Betroffenen Zweifel, darf es ihn nicht – ohne selbst weitere Ermittlungen angestellt zu haben – als unentschuldigt ansehen, zumal der Betroffene nicht verpflichtet ist, vor der Hauptverhandlung die Richtigkeit seines Vortrages glaubhaft zu machen und durch Vorlage von Unterlagen zu belegen (BayObLG NJW 1998, 172; Schleswig-Holsteinisches OLG zfs 2005, 53; OLG Zweibrücken zfs 2006, 233; LG Heilbronn zfs 2006, 707) und es nicht darauf ankommt, ob er sich entschuldigt hat, sondern alleine darauf, ob er entschuldigt ist (OLG Dresden zfs 2008, 706; OLG Nürnberg NZV 2009, 357; OLG Bamberg zfs 2012, 230).
Rz. 56
Mit einem ärztlichen Gutachten und den sich daraus ergebenden evtl. Entschuldigungsgründen muss sich das Gericht auf jeden Fall auseinandersetzen (OLG Hamm DAR 2000, 84; NZV 2009, 247), andernfalls ist das rechtliche Gehör verletzt (OLG Frankfurt zfs 2004, 41). Bei der Vorlage eines ärztlichen Attestes muss der Verteidiger bedenken, dass in der Vorlage eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht gesehen wird (Schleswig-Holsteinisches OLG zfs 2006, 53; OLG Hamm NZV 2009, 247).
Rz. 57
Tipp: Erklärung des Verteidigers
Entschuldigt der Verteidiger den Betroffenen mit Krankheit, darf der Einspruch des Betroffenen auch dann nicht ohne weitere Ermittlungen des Gerichts verworfen werden, wenn der Verteidiger keine Erklärungsvollmacht hat und auch kein Attest vorlegen kann (OLG Hamm DAR 1997, 361). Dann soll allerdings ein pauschaler Hinweis auf die Erkrankung nicht genügen, sondern es muss deren Art mitgeteilt werden (OLG Bamberg NZV 2009, 303; KG DAR 2011, 146).
6. Wichtige berufliche Termine
Rz. 58
Wichtige berufliche Termine, die seit langem feststehen, können – wenn die Verhinderungsgründe im Einzelnen detailliert vorgetragen werden – das angekündigte Ausbleiben des Betroffenen hinreichend entschuldigen (OLG Hamm NZV 2006, 165). Verwirft das Gericht in einem solchen Fall dennoch den Einspruch, muss es sich im Urteil mit den angegebenen Entschuldigungsgründen eingehend auseinandersetzen (OLG Celle zfs 1998, 115; OLG Hamm zfs 2004, 383; BayObLG DAR 2003, 567). Das LG München (NZV 2005, 431) sieht den Betroffenen sogar dann schon als entschuldigt an, wenn der Arbeitgeber ihm die Terminswahrnehmung nicht genehmigt und er wegen des auf Probe bestehenden Arbeitsverhältnisses den Verlust des Arbeitsplatzes befürchten muss. Das OLG Köln (DAR 2000, 180) ist dagegen der Auffassung, die Pflicht zum persönlichen Erscheinen gehe in jedem Fall den beruflichen Interessen des Betroffenen vor.
Auch hier gilt, dass hinsichtlich des Entschuldigungsgrundes keine Pflich...