Rz. 95
Auch wenn Käufer und Verkäufer keine unmittelbare Einigung bei der Kaufpreisfindung erzielen, muss dies noch nicht zwingend das Ende der Verhandlungen bedeuten. Häufig sind die diesbezüglichen Meinungsverschiedenheiten auf die unterschiedliche Bewertung künftiger Szenarien zurückzuführen. Während der Verkäufer sein Unternehmen auch in Zukunft florieren sieht, wird dieser uneingeschränkte Optimismus, jedenfalls schon aus verhandlungstaktischen Gründen, beim Käufer nicht immer geteilt. Eine grundsätzliche Lösung kann es hier sein, den initialen Kaufpreis zunächst – aus Sicht des Verkäufers – etwas niedriger anzusetzen und den Verkäufer dafür an einem etwaigen zukünftigen Erfolg partizipieren zu lassen. Dieses erfolgt meistens durch einen Earn-Out, d.h. einer Erhöhung des Kaufpreises bei Erreichen gemeinsam definierter zukünftiger, regelmäßig wirtschaftlicher, Kennzahlen des Zielunternehmens. Hierbei muss die Vertragsgestaltung, insbesondere aus Sicht des Verkäufers, extrem sorgsam erfolgen. Häufig wird bei der Bemessung des wirtschaftlichen Erfolgs an das EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization, d.h. Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) einer bestimmten (Earn-Out) Periode angeknüpft. Da der Verkäufer regelmäßig nicht mehr im Unternehmen ist, muss er sicherstellen, dass (i) außergewöhnliche Geschäftsvorfälle bei der Berechnung des EBITDA (nicht) berücksichtigt werden und (ii) der Käufer alle Maßnahmen unterlässt, die das EBITDA in der Earn-Out Periode schmälern und/oder aus dieser heraus verlagern. Völlig unzweifelhaft ist, dass dem Verkäufer die Möglichkeit eingeräumt werden muss, die vom Käufer ermittelten Parameter selber bzw. durch einen Experten seiner Wahl zu überprüfen und im Falle eines Dissenses durch einen objektiven Experten festsetzen zu lassen (Hinweis: Einigungsverfahren im SPA vorsehen). Ferner ist zu bedenken, was passiert bzw. welche Rechtfolge gelten soll, wenn der Käufer das Unternehmen bereits vor Ende der definierten Earn-Out Periode wieder veräußert.
Rz. 96
Eine weitere Möglichkeit des Verkäufers, sich gegen eine Übervorteilung durch den Käufer zu schützen, ist eine Partizipation an einem künftigen Veräußerungserlös, wenn dieser über dem aktuell vereinbarten Kaufpreis liegen sollte (Mehrerlös- bzw. "Anti-Embarassement"-Klausel). Weiterhin besteht durch ein Verkäufer-Darlehen (Vendor-Loan) die Möglichkeit, sich an der Finanzierung des Kaufpreises durch Stundung desselben zu beteiligen. Dies überbrückt zwar keine unterschiedliche Auffassung über den angemessenen Kaufpreis, kann aber eine schwer oder nicht in ausreichender Höhe zu erreichende Bankenfinanzierung ersetzen oder erleichtern. Wegen zahlreicher Implikationen auch insolvenzrechtliche Natur, ist diese Konstruktion dem Verkäufer nur im Ausnahmefall anzuraten.
Rz. 97
Möglich, wenngleich eher selten, wird auch ein sogenannter Claw-back vereinbart. Hier ist ein Teil des initialen Kaufpreises vom Verkäufer zurückzugewähren, wenn bestimmte Ziele nicht erreicht wurden oder werden. Da sich der Käufer hier in eine ungesicherte Position begibt, kommt ein Claw-back aber nur in speziellen wirtschaftlichen Konstellationen und Verhandlungssituationen in Betracht.