I. Anspruchsgrundlage
Rz. 55
Eine Verpflichtung, einen Unternehmenskaufvertrag abzuschließen, besteht im vorvertraglichen Stadium grundsätzlich nicht. Bei größeren Transaktionen, bei denen auf beiden Seiten Berater tätig sind, wird eine solche Haftung typischerweise bereits im LoI oder MoU ausgeschlossen. In Betracht kommt aber – wie auch bei anderweitigen Vertragsverhandlungen – stets ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen (cic), § 311 Abs. 2 BGB.
Rz. 56
Eine Verletzung von Sorgfaltspflichten kann z.B. darin bestehen, dass in dem anderen Vertragspartner schuldhaft ein besonderes Vertrauen erweckt wird oder ihm ausdrücklich oder konkludent in Aussicht gestellt wird, dass es sicher zum Vertragsabschluss kommen würde. Die bloße Möglichkeit, an einen anderen Kaufinteressenten zu einem höheren Kaufpreis zu verkaufen, wurde von der Rechtsprechung in der Vergangenheit nicht als triftiger Grund anerkannt. Ansprüche im Zusammenhang mit beurkundungsbedürftigen Geschäften (Asset Deal mit Grundstück, GmbH-Anteile) bestehen allerdings nur, wenn zusätzlich zum in Anspruch genommenen besonderen Vertrauen noch eine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung anzunehmen ist. Diese ist jedoch nur gegeben, wenn (i) die Existenz des Vertragspartners bedroht wird oder (ii) eine nicht vorhandene Abschlussbereitschaft vorgespiegelt wurde oder ursprünglich eine Abschlussbereitschaft vorhanden war, diese aber im Laufe der Verhandlungen aufgegeben wurde und dies dem Vertragspartner aber nicht offengelegt wurde. Erstere Alternative dürfte in der Situation des Unternehmensverkaufs selten vorliegen, während die zweite Alternative als Bestandteil des Forum Internums selten zu beweisen sein wird. Jedenfalls im Bereich größerer Unternehmensverkäufe ist die Zahl der Inanspruchnahmen wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen aus § 311 Abs. 2 BGB sehr selten und tendiert, jeweils offiziell, gegen null.
Rz. 57
Die Haftung wegen enttäuschten Vertrauens ist grundsätzlich auf den Ersatz des sog. Vertrauensschadens gerichtet. Demzufolge ist der Vertragspartner (in Geld) so zu stellen, wie er stünde, wenn das haftungsbegründende Verhalten ausgeblieben wäre. Ein etwaiges Mitverschulden der geschädigten Verhandlungspartei ist auch beim Unternehmenskauf grundsätzlich zu berücksichtigen, nicht ausreichend ist hierfür nach richtiger Auffassung eine mangelnde oder nicht sorgfältig durchgeführte Due Diligence.
II. Vorvertragliche Pflichten
Rz. 58
Zu den vorvertraglichen Pflichten gehören insbesondere die redliche Verhandlungsführung und die Einhaltung übernommener Geheimhaltungspflichten.
Rz. 59
Nicht zuletzt gehört zur redlichen Verhandlungsführung seitens des Verkäufers auch, sämtliche von ihm übernommenen Auskunfts- und Offenbarungspflichten zu erfüllen. Bricht der Käufer die Verhandlungen ab, nachdem er Verstöße des Verkäufers gegen derartige Verpflichtungen festgestellt hat, kann dies in der Regel keinen Regressanspruch des Verkäufers rechtfertigen.
Andererseits rechtfertigen auch Verstöße gegen Geheimhaltungspflichten, die der Interessent übernommen hat, selbstverständlich den Abbruch von Vertragsverhandlungen. Ebenso bieten sie Anlass zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Erwerbsinteressenten.
Rz. 60
Angesichts der bereits erwähnten Schwierigkeiten des Nachweises eines kausalen Schadens ist jedoch dringend zu empfehlen, hinsichtlich der Geheimhaltungspflichten bzw. der Rechtsfolgen eines etwaigen Verstoßes ausdrückliche Vereinbarungen (Vertragsstrafe) zu treffen.
III. Schadensersatzanspruch
Rz. 61
Hat eine der Parteien gegen ihre vorvertraglichen Pflichten verstoßen, steht der anderen Partei grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zu. Sie muss so gestellt werden, wie sie ohne die Pflichtverletzung stünde (sog. negatives Interesse/Vertrauensschaden). Eine Beschränkung auf das Erfüllungsinteresse besteht nicht. Im Wesentlichen geht es hierbei um den Ersatz folgender Schäden:
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Erstattung nutzloser Aufwendungen (insbesondere DD- und sonstige Beratungskosten) |
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Schäden wegen der Verletzung von Geheimhaltungspflichten |
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Schäden, die aus der Abstandnahme von anderweitigen Vertragsabschlüssen resultieren. |
IV. Persönliche Haftung der handelnden Personen
Rz. 62
Grundsätzlich haften Vertreter und Berater einer Verhandlungspartei nur gegenüber ihrem Auftraggeber. Eine Haftung gegenüber Dritten z.B. der anderen Verhandlungspartei, kommt nur in Betracht, soweit sich die Schutzwirkungen ihrer Beauftragung auch auf diese erstrecken. Eine solche Ausnahme kann vorliegen, wenn diese Personen entweder selbst ein starkes unmittelbares Eigeninteresse an dem angestrebten Geschäft haben und sich hieraus einen persönlichen Nutzen versprechen oder wenn sie persönlich gegenüber dem anderen Teil in besonderer Weise Vertrauen in Anspruch genommen h...