Rz. 165
Auch ein Abgrenzungsproblem mit einem bestehenden Ergebnisabführungsvertrag stellt sich nicht, wenn eine natürliche Person das von ihm gegründete und entwickelte Unternehmen (in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft) verkauft. Sofern aber gleichwohl eine schrittweise Veräußerung erfolgt, sind im Falle des Bestehens einer Organschaft die nachfolgenden Punkte zu bedenken.
Rz. 166
Besteht zwischen der Zielgesellschaft und dem Verkäufer ein Ergebnisabführungsvertrag, muss dieser spätestens zum Closing beendet werden. Eine einvernehmliche Aufhebung kann nur zum Ende des Geschäftsjahres erfolgen (§ 296 AktG). Soll die Aufhebung hiervon abweichend zum Closing bzw. bei Abtretung der Anteile geschehen, hat die Zielgesellschaft durch Satzungsänderung ein Rumpfgeschäftsjahr einzuführen (aufgrund der erforderlichen Handelsregistereintragung regelmäßig zeitkritisch). Eine rückwirkende Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrages ist unzulässig.
Rz. 167
Typischerweise sehen Ergebnisabführungsverträge jedoch eine Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund (§ 297 AktG) im Falle des Kontrollwechsels vor – die Abtretung der Geschäftsanteile/Aktien ist hierbei nur eine von diversen Möglichkeiten des Kontrollwechsels. Sieht der Ergebnisabführungsvertrag diese Möglichkeit vor, so kann dieser mit Wirksamwerden der Anteilsabtretung gekündigt werden. Diese Kündigung aus wichtigem Grund für den Fall des Anteilsübergangs wird sowohl von den Handelsregistern wie auch von den Steuerbehörden anerkannt. Häufig sind Kündigung des Ergebnisabführungsvertrages und dessen Anmeldung beim Handelsregister Handlungen, die anlässlich des "Closing"/des Vollzugs des Kaufvertrages vorgenommen werden ("Closing Actions"/Vollzugshandlungen).
Rz. 168
Aus Sicht des Verkäufers ist es hierbei wichtig, dass ihn der Käufer von Ansprüchen nach § 303 AktG (Gläubigerschutz) und § 302 AktG (Verlustübernahme) freistellt, soweit der Anspruch den im letzten Jahresabschluss festgestellten Verlust übersteigt. Ein etwaiger Verzicht auf den Verlustausgleichsanspruch durch die Zielgesellschaft im Rahmen der Transaktion ist nach § 302 Abs. 3 S. 1 AktG nicht wirksam. Besteht eine solche Freistellung nicht, ist es dem Käufer durch Anpassung des letzten Jahresabschluss theoretisch – und wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat – auch praktisch möglich, sich einen Teil oder den ganzen Kaufpreis über den Verlustausgleichsanspruch des § 302 AktG (unter zu Hilfenahme der Zielgesellschaft) quasi "wiederzuholen". Insbesondere wenn der Käufer mittels eines SPV erwirbt, muss der Verkäufer darauf achten, dass er mit dem Freistellunganspruch nicht ausfällt. Nicht nur aus diesem Grunde ist es in diesen Fällen aus Verkäufersicht ratsam, einen Garanten für die Ansprüche gegen den Käufer mithaften zulassen. Diese sollte selbstredend über ausreichende Substanz oder Einbindung in den Konzern des Käufers verfügen, so dass eine Leistung/Freistellung auch dann gewährleistet ist, wenn es hart auf hart kommt.
Rz. 169
Ebenso wie die auf den ersten Blick gekünstelt wirkende Konstruktion bei der Übertragung von Gesellschafterdarlehen, hat die jüngere Vergangenheit das Bedürfnis des Verkäufers nach entsprechenden Sicherungsmitteln aufgezeigt. Im Zuge der (ersten) Finanzkrise gerieten im Prinzip gesunde Unternehmen binnen kürzester Zeit in (insolvenzrechtliche) Schwierigkeiten, weil die Fremdkapitalgeber keine Darlehen mehr ausreichen oder verlängern konnten bzw. durften. So wurden nicht wenige Unternehmen kurz nach der Übernahme oder gar während der Phase zwischen Signing und Closing insolvent, obgleich es kurz vorher keine Anzeichen hierfür gab. Auch wenn der Käufer auf einen entsprechend vorsichtigen Ansatz des Verkäufers möglicherweise genervt reagiert, so ist der Verkäufer doch im "Worst-Case" dankbar und gut beraten, wenn er diesbezüglich auf den Winkeladvokaten vertraut.