Rz. 10

Der aus einem Tatgeschehen Geschädigte ist nicht notwendig gehalten, seine zivilrechtlichen Ansprüche gerichtlich ausschließlich durch Erhebung einer auf Schadensersatz gerichteten Klage vor den Zivilgerichten geltend machen. Unabhängig von den ihm offenstehenden zivilprozessualen Schritten eröffnet auch die Strafprozessordnung dem Geschädigten eine Reihe von Handlungsalternativen, nach denen er seine zivilrechtlichen Ansprüche unter Anwendung strafprozessualer Regelungen verfolgen kann.

 

Rz. 11

Anders als beim Absehen von der Strafverfolgung und Bewährung, in denen der Geschädigte die strafprozessuale Aufarbeitung des Tatgeschehens nicht unmittelbar beeinflussen kann, sind in der Strafprozessordnung Regelungen vorgesehen, die ihm eine Beteiligung am Strafverfahren als Verletzter vorsehen. Gesetzliche Grundlage sind die in ihrem Fünften Buch verankerten §§ 374406l StPO, die in vier Abschnitten Regelungen über Privatklage, Nebenklage, zur Entschädigung des Verletzten und schließlich über sonstige Befugnisse, etwa die Auskunft über den Stand des Verfahrens oder die Unterrichtung über mögliche Befugnisse auch außerhalb des Strafverfahrens treffen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch das sog. Adhäsionsverfahren, das nach näherer Maßgabe der §§ 403 ff. StPO zu einer Titulierung der zivilrechtlichen Ansprüche im Strafurteil führt und das Gegenstand der Darstellung im folgenden Kapitel ist.[7]

 

Rz. 12

Das Privatklageverfahren nach §§ 374394 StPO ist ein staatliches Strafverfahren, das der Verletzte als Privater an Stelle der Staatsanwaltschaft als Kläger einleitet und betreibt. Wird im Zuge des Verfahrens eine Strafe verhängt, ist dies eine "echte" Kriminalstrafe, die genauso vollstreckt und in das Bundeszentralregister eingetragen wird wie eine Strafe im Offizialverfahren. Die Privatklage wegen bestimmter Straftaten, zu denen Körperverletzung und Sachbeschädigung zählen, ist gem. § 380 StPO erst nach Durchführung eines Sühneversuches vor einer Vergleichsbehörde zulässig. Das Privatklageverfahren dient damit zwar nicht der Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen; einschränkend könnte weiter hinzugefügt werden, dass zivilrechtliche Ansprüche in ihrer Feststellung insoweit allenfalls vorbereitet werden könnten. Schließlich wird mit Recht beklagt, dass das Privatklageverfahren inzwischen weithin an praktischer Bedeutung verloren hat.[8] Gleichwohl besteht für den Geschädigten hier die Möglichkeit, seinen zivilrechtlichen Anspruch im Rahmen der Privatklage, und zwar im Vergleichswege nach § 380 StPO durchzusetzen. Ob der Geschädigte diesen Weg wählt oder sich direkt an das jeweilige Zivilgericht wendet, ist indessen eine Frage seiner prozessualen Einschätzung.

 

Rz. 13

Auch die in den §§ 395402 StPO geregelte Möglichkeit des Verletzten, im Strafverfahren als Nebenkläger aufzutreten, dient zwar ebenfalls nicht unmittelbar der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche. Allerdings liegt der Zweck der Nebenklage darin, dem Nebenkläger Gelegenheit zu geben, im Verfahren seine persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen, insbesondere durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich gegen die Leugnung oder Verharmlosung seiner Verletzungen zu wehren.[9] Auch hierdurch erhält der Geschädigte zumindest eine verfahrenstaktische Option in Bezug auf die Realisierung zivilrechtlicher Ansprüche.

[7] Siehe dazu die Ausführungen zu Rdn 14 ff.
[8] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, Vorbem. § 374 Rn 1.
[9] Dazu BGH, Beschl. v. 7.6.2018 – 3 StR 149/18, NStZ-RR 2018, 256; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, Vorbem. § 394 Rn 1 f. m.w.N.

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