A. Einführung
Rz. 1
Es gibt grundsätzlich drei Voraussetzungen zur Betreibung der staatlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen:
1. |
Es bedarf eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Vollstreckungstitels (§§ 704, 794 ZPO). |
2. |
Der Vollstreckungstitel muss mit der Vollstreckungsklausel versehen sein (§§ 724 ff. ZPO) und er muss |
3. |
vor oder spätestens bei der Vornahme der ersten Zwangsvollstreckungsmaßnahme gem. § 750 Abs. 1 ZPO dem Schuldner zugestellt sein. |
Rz. 2
Diese Voraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) sind die wichtigsten. Sie werden ergänzt durch allgemeine Prozessvoraussetzungen wie z.B. die deutsche Gerichtsbarkeit, Prozessfähigkeit etc.
Rz. 3
Die grundlegenden Vollstreckungsvoraussetzungen werden nachfolgend näher betrachtet.
B. Vollstreckungstitel
I. Das Urteil
Rz. 4
Der klassische Vollstreckungstitel ist das gerichtliche Urteil. Die Zwangsvollstreckung findet dabei nicht nur aus rechtskräftigen Urteilen statt, also solchen, die nicht oder nicht mehr durch Rechtsmittel angreifbar sind, sondern gem. § 704 ZPO auch aus Urteilen, die vom Prozessgericht gegen oder ohne Sicherheitsleistung (zur Art und Weise der Sicherheitsleistung siehe nachfolgend unter Rdn 7) für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind (§§ 708, 709 ZPO). Allerdings sind nicht alle Gerichtsurteile in der Hauptsache vollstreckungsfähig. Üblicherweise werden drei Arten von Urteilen unterschieden: Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsurteile. Bei Leistungsurteilen wird der Schuldner zu einer bestimmten Leistung verurteilt, z.B. zur Bezahlung von 10.000,00 EUR. Derartige Urteile sind zweifelsohne vollstreckbar. Feststellungsurteile stellen demgegenüber nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines bestimmten Rechtsverhältnisses fest (vgl. § 256 ZPO), beispielsweise beim Streit unter zwei potenziellen Erben, wer von ihnen nun Erbe eines verstorbenen Dritten geworden ist. In der Hauptsache, also hinsichtlich der gerichtlichen Feststellung als solcher, sind diese Urteile nicht vollstreckbar. Gleichwohl werden auch Feststellungsurteile von den Gerichten für (vorläufig) vollstreckbar erklärt, damit die obsiegende Partei wegen ihrer Kosten vollstrecken kann (der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit bezieht sich dann auf die Kostenentscheidung). Ähnlich ist es bei den Gestaltungsurteilen, bei denen durch das rechtskräftige Urteil eine neue Rechtslage geschaffen wird, z.B. die Auflösung einer OHG gem. § 133 HGB. Hier vollstreckt sich die Hauptsache mit Eintritt der Rechtskraft durch Schaffung der neuen Rechtslage sozusagen von selbst. Angesichts der für derartige Verfahren anfallenden Kosten werden auch diese Urteile für vorläufig vollstreckbar erklärt, d.h., die vorläufige Vollstreckbarkeit bezieht sich dann auf den in diesem Verfahren später ergehenden Kostenfestsetzungsbeschluss.
Rz. 5
Die jeweiligen Originalurteile bleiben in gerichtlicher Verwahrung. Den Parteien bzw. deren Anwälten werden von Amts wegen sog. beglaubigte Abschriften der Urteile zugestellt (§ 317 ZPO). Um aus einem Titel vollstrecken zu können, muss bei Gericht die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung ausdrücklich beantragt werden, § 317 Abs. 2 ZPO.
II. Sonstige Vollstreckungstitel
Rz. 6
Außer den Gerichtsurteilen (§ 704 ZPO) gibt es eine ganze Reihe weiterer Vollstreckungstitel, aus denen die Zwangsvollstreckung erfolgen kann. Eine Liste dieser sonstigen Vollstreckungstitel findet sich in § 794 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 ZPO. Danach findet die Zwangsvollstreckung insbesondere auch aus Prozessvergleichen (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), Vollstreckungsbescheiden (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) und notariellen Urkunden über Zahlungsansprüche (inkl. Ansprüchen aus Hypotheken, Grund- und Rentenschulden) bei gleichzeitiger Unterwerfung der sofortigen Zwangsvollstreckung gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen, § 794 Abs. 1 Nr. 6 ZPO und weiteren europäischen Titeln, siehe dazu § 794 Abs. 1 Nr. 7–9 ZPO statt. Aber auch aus familiengerichtlichen Beschlüssen kann man vollstrecken, so z.B. aus einem Unterhaltsbeschluss oder aus einem gerichtlich gebilligten Vergleich (§ 86 Abs. 1 FamFG).
III. Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung
Rz. 7
Das Recht der Sicherheitsleistung ist recht kompliziert geregelt. Die Grundsystematik soll nachfolgend beleuchtet werden.
1. Zweck und Nachweis der Sicherheitsleistung
Rz. 8
Wie bereits erörtert, findet die Zwangsvollstreckung nicht nur aus rechtskräftigen Urteilen, sondern auch aus für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen statt. Dies bedeutet für den Gläubiger, dass er vor der Rechtskraft des Titels die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Besonders dann, wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, kann die "vorläufige Vollstreckbarkeit" dem Gläubiger helfen, seine Ansprüche zu sichern. Müsste er die Rechtskraft des Titels abwarten, könnte das dazu führen, dass eine Zwangsvollstreckung erst nach ein oder zwei Jahren möglich ist. Eine Vollstreckung kann aber umgekehrt für einen Schuldner, der womöglich in der höheren Instanz eine Aufhebung oder Abänderung des Titels erreicht, äußerst nachteilig sein, da der Gläubiger womög...