Rz. 83
Sachliche Steuerbefreiungen werden nicht nur bei unbeschränkter, sondern auch bei beschränkter Steuerpflicht gewährt, soweit der Gesetzeswortlaut oder der Sinn der Vorschrift eine Anwendung bei der beschränkten Steuerpflicht ausschließt.
Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen gem. §§ 13a, 13b ErbStG zu richten. Während Kapitalgesellschaftsanteile und Betriebsstätten im EU-/EWR-Ausland zum begünstigungsfähigen Betriebsvermögen gehören, soweit sie die weiteren Voraussetzungen erfüllen, gilt dies nicht für im Privatvermögen gehaltene Betriebsstätten (Personengesellschaften) und Kapitalgesellschaftsanteile in Drittländern.
Rz. 84
Gemäß § 16 Abs. 2 ErbStG a.F. galt für Fälle der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht lediglich einen persönlichen Freibetrag i.H.v. 2.000 EUR vor. Der EuGH hat jedoch in der Rechtssache Mattner entschieden, dass die starke Differenzierung der persönlichen Freibeträge zwischen beschränkt Steuerpflichtigen und unbeschränkt Steuerpflichtigen, denen maximal ein Freibetrag i.H.v. 500.000 EUR zustehen, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Was auf diese Entscheidung hin folgte, war ein Streit, wie bzgl. der persönlichen Freibeträge eines beschränkt Steuerpflichtigen zu verfahren ist, wenn auch der Zuwender/Erblasser im Ausland gelebt hat. Zunächst reagierte der Gesetzgeber mit der Einführung des § 2 Abs. 3 ErbStG, also dem landläufig bekannten so genannten Optionsrecht. Optiert werden kann in den Fällen, in denen Inlandsvermögen gem. § 121 BewG zum Vermögen gehört, dahingehend, den gesamten Vermögensanfall insgesamt als im Inland unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Der Zweite Senat des BFH ging seit Einführung des Optionsrechts von der Europakonformität der gesetzlich normierten Freibetragsregelungen im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz aus. Der EuGH setzte dem sodann in den Jahren 2013 und 2016 zwei gewichtige Entscheidungen entgegen. Zum einen urteilte er, dass die Gewährung eines steuerlichen Freibetrages nicht von einer Antragstellung abhängig gemacht werden dürfte. Zum anderen urteilte er, dass auch die Unterscheidung zwischen einem EU-Staat und einem nicht EU-Staat in Bezug auf die Anwendung von steuerlichen Freibeträgen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Soweit die Finanzverwaltung also bei beschränkt Steuerpflichtigen lediglich einen proportionalen Freibetrag gewährt, um eine Besserstellung des unbeschränkt Steuerpflichtigen gegenüber dem beschränkt Steuerpflichtigen zu vermeiden, so dürfte dies, spätestens nach dem Urteil des EuGH vom Juni 2016, nicht mehr tragfähig sein. Vor dem Hintergrund dieser beiden Entscheidungen des EuGH sollte entweder das Optionsrecht auch in Drittstaatfällen gewährt werden, was mit Hinblick auf die ergangene Rechtsprechung als nicht (mehr) ausreichend erscheint, oder aber die Freibetragsregelungen des § 16 Abs. 1 ErbStG auch auf Drittstaatenfälle generell angewendet werden. Das FG Düsseldorf jedenfalls stellte sich der jüngsten Verwaltungspraxis der Finanzverwaltung, nämlich der quotalen Aufteilung der Freibeträge, entgegen und gewährt, da § 2 Abs. 3 ErbStG nicht auf Drittstaatenfälle anwendbar sei, die Freibeträge umfänglich.
Rz. 85
Was darauf folgte, war eine vollständige Neufassung des § 16 Abs. 2 ErbStG zum 24.6.2017 sowie die vollständige Streichung und Abschaffung des § 2 Abs. 3 ErbStG (Antrag des Erwerbers auf Option zur unbeschränkten Steuerpflicht). Die bis dahin enthaltene Regelung eines Freibetrages von nur 2.000 EUR wurde ersatzlos gestrichen. Nach der Neuregelung soll nun in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht der nach Abs. 1 gewährte Freibetrag um einen Teilbetrag gemindert werden. Dieser Teilbetrag soll dem Verhältnis der Summe der Werte des in demselben Zeitpunkt erworbenen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögens und derjenigen nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensvorteile, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen sind, zum Wert des Vermögens, das insgesamt innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen ist, entsprechen. Frühere Erwerbe sind indes nur mit ihrem früheren Wert anzusetzen.
Rz. 86
Auch gegen diese Neuregelung bestehen Bedenken betreffend der Europakonformität. Sie lässt den Praktiker im Übrigen einigermaßen ratlos zurück. Die Schwierigkeiten beginnen bereits mit dem Begriff "Vermögensvorteile." Im Übrigen dürfte in der Praxis das gesamte Auslandsvermögen seitens der Steuerverwaltung nur schwer bis überhaupt nicht zu ermitteln sein. Des Weiteren könnte die offene Formulierung "innerhalb von zehn Jahren" für den Steuerpflichtigen negative Konsequenzen haben, falls ein Erwerb wieder sowohl mit einem zurückliegenden Erwerb als auch mit einem in der Zukunft anfallenden Erwerb addiert würde. Da jedoch der Gesetzeswortlaut von "angefallenen" Vermögensvorteilen im Perfekt spricht, greift die EUGH-Entscheid...