Rz. 34

Erbverträge bzw. gemeinschaftliche Testamente sind im Internationalen Privatrecht nach wie vor nicht unproblematisch (siehe Rdn 2). Denn ob ein Erbvertrag gültig ist und welche Wirkungen er entfaltet, richtet sich nach dem hypothetischen Erbstatut zum Zeitpunkt der Errichtung. Der Erbvertrag kann aber nunmehr gem. Art. 25 Abs. 2 S. 2 EuErbVO ausdrücklich Bindungswirkung entfalten, sofern das hypothetische Erbstatut dies ausdrücklich gestattet.[78] Bei mehrseitigen Erbverträgen sind sämtliche hypothetischen Erbstatute zu prüfen.[79] Nur wenn der Erbvertrag nach allen in Frage kommenden Erbstatuten wirksam sein würde, ist er insgesamt wirksam. Bestehen diesbezüglich Probleme, so hilft Art. 25 Abs. 3 EuErbVO mit der Möglichkeit einer Rechtswahl.[80] Die materiell-rechtlichen Folgen des Erbvertrages richten sich demgegenüber für jeden Erblasser nach dem effektiven Erbstatut zum Zeitpunkt seines Todes.[81]

 

Rz. 35

Art. 24 EuErbVO schweigt bedauerlicherweise zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments, welches in vielen europäischen Rechtsordnungen unbekannt ist. Es wird zwar in Art. 3 Abs. 1 lit. c EuErbVO das gemeinschaftliche Testament als Form einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen benannt, das von zwei oder mehr Personen in einer einzigen Urkunde errichtet werden kann. Jedoch dürfte nach wie vor die Bindungswirkung in den meisten Ländern in der Europäischen Union entfallen.[82] In Italien ist gem. Art. 589 cc das gemeinschaftliche Testament verboten, sei es in der Form, dass ein Dritter begünstigt wird oder dass sich die Testatoren wechselseitig begünstigen.

 

Praxistipp

Sofern im Rahmen einer Nachfolgeplanung nicht sichergestellt werden kann, dass bei einem Erbvertrag alle hypothetischen Erbstatute zum gewünschten Ergebnis führen, sollte mit einer umfassenden Rechtswahl gearbeitet werden. Leben alle am Erbvertrag Beteiligten im gleichen Land zum Zeitpunkt der Errichtung, so ist der Erbvertrag problemlos möglich. Ist dies jedoch nicht der Fall, muss mit einer Rechtswahl gem. Art. 22 EuErbVO gearbeitet werden – sofern diese denn möglich ist – oder es sollte stattdessen über eine alternative Gestaltungsform nachgedacht werden. Auf die Errichtung eines wechselseitigen gemeinschaftlichen Testaments sollte im südeuropäischen Kontext nach wie vor ganz verzichtet werden.[83]

[78] Palandt/Thorn, Art. 25 EuErbVO Rn 6.
[79] Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, § 2 Rn 184.
[80] Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, § 2 Rn 186.
[81] Schotten/Schmellenkamp, Das internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, § 7 Rn 319 ff.
[82] Rißmann/Filtzinger, Die Erbengemeinschaft, § 25 Rn 31, 32.
[83] Ausführlich zum Meinungsstand Palandt/Thorn, Art. 25 EuErbVO Rn 3 und Süß/Süß, Erbrecht in Europa, § 3 Rn 47 ff. Für den Berater ist zu beachten, dass es nicht allein auf die in Deutschland publizierten Meinungen hierzu ankommt. Vielmehr ist die tägliche Anwendungspraxis im südeuropäischen Ausland zu beachten. Diese haben mit dem Gestaltungsinstrument des gemeinschaftlichen Testaments und insbes. mit einer Wechselbezüglichkeit (nach wie vor) allergrößte Probleme. Siehe auch Looschelders, IPRAX 16, 75/79; Leipold, ZEV 14, 139/141; Heinig, RNotZ 14, 197/200; Herzog, ErbR 2013, 2/9.

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