Rz. 64
Oftmals wird in der Beratungspraxis mehr nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten gefragt als nach tragfähigen zivilrechtlichen Gestaltungsoptionen. Umso mehr muss der Berater im Gespräch darauf hinwirken, dass es zuvorderst darum geht, den Willen des Testators oder aber des Schenkenden in die Tat umzusetzen. Steuerrechtliche Aspekte dürfen dabei selbstverständlich nicht vernachlässigt werden, vielmehr sind sie essentieller Beratungsbestandteil; jedoch darf der alleinige Antrieb, eine Schenkung vorzunehmen, nicht allein aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten getroffen werden. Dies gilt umso mehr dann, wenn der Schenkende drauf und dran ist, sein selbstbewohntes (und einziges) Eigenheim ohne jegliches Sicherungsinstrument bereits zu Lebzeiten an die nächste Generation zu übertragen, nur um einer etwaigen Erbschaftsteuer aus dem Weg zu gehen. Für den internationalen Kontext gilt im Endeffekt nichts Anderes: langfristigen und weitsichtigen Planungen ist stets der Vorrang zu geben.
I. Allgemeines
Rz. 65
Die Grundlagen des deutschen Erbschaftsteuerrechts werden in § 5 in diesem Buch dargestellt. Im Folgenden wird daher verstärkt auf die Normen eingegangen, die einen Auslandsbezug vorweisen. In Bezug auf die steuerpflichtigen Vorgänge (sachliche Erbschaftsteuerpflicht) siehe § 5 Rdn 6. Die persönliche Steuerpflicht kann unbeschränkt, beschränkt oder erweitert beschränkt sein. Voraussetzung für eine Besteuerung ist immer das Vorliegen eines Inlandsbezuges.
II. Unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht
Rz. 66
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sieht vor, dass unbeschränkte persönliche Erbschaftsteuerpflicht vorliegt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Wird eine dieser Alternativen erfüllt, ist der gesamte Vermögensanfall in Deutschland steuerpflichtig, daher unbeschränkte Steuerpflicht. Das Gesetz knüpft also alternativ an die Person des Erblassers/Schenkers oder des Erben/Beschenkten an. Gilt nur einer von ihnen als Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, tritt die unbeschränkte Steuerpflicht ein. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerb zugunsten mehrerer geschieht, die nicht alle Inländer sind. In diesem Ansatz des Gesetzgebers liegt auch die Grundlage für eine mögliche Doppelbesteuerung begründet. Sobald ein anderer Staat sich denselben Ansatz zu eigen macht und der Erblasser im einen, der Erbe im anderen Land als Inländer gilt, beanspruchen beide Staaten gleichzeitig für sich den kompletten Nachlass zu besteuern: Es kommt zu einer Doppelbesteuerung.
1. Steuerinländer
Rz. 67
Inländer sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG Bürger, gleichgültig welcher Staatsangehörigkeit, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben, sowie gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. d ErbStG Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Sitz oder Geschäftsleitung sich im Inland befindet.
Gem. § 2 Abs. 2 ErbStG gehört zum Inland auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Festlandssockel. Der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt bestimmen sich nach den §§ 8 und 9 AO. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen will. Die melderechtliche An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde kann lediglich als Indiz für die Begründung eines Wohnsitzes herangezogen werden, hat jedoch de facto keine unmittelbare steuerrechtliche Wirkung.
Hinweis
Das deutsche Steuerrecht unterscheidet nicht zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz. Somit kann auch eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus einen Wohnsitz begründen. Dies gilt zunächst einmal für Ausländer mit einer Ferienwohnung im Inland. Sie werden dadurch zu Inländern i.S.d. § 2 Abs. 1 ErbStG. Bei Inländern mit einer Ferienwohnung im Ausland gilt dies ggf. aber auch. Daher ist stets zu prüfen, ob der Belegenheitsstaat der Ferienimmobilie eine ähnliche Regelung vorsieht.
Rz. 68
Die Inländer-Eigenschaft von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen richtet sich danach, ob sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Ort der Geschäftsleitung ist gem. § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Darunter versteht man in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die wichtigste Stelle, an der für die laufende Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Ihren Sitz hat eine Körperschaft, eine Personenvereinigung oder eine Vermögensmasse gem. § 11 AO an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist. Meistens sind beide Orte identisch, sie können aber auch auseinanderfallen.
Hinweis
Gerade in grenznahen Gebieten kommt es vor, dass der Satz...