Rz. 6
Wie bei jeder nationalen Nachfolgeplanung auch stellt sich bei der Nachfolgeplanung mit internationalem Bezug zunächst einmal die Frage, wie der Mandant überhaupt sein Vermögen auf die Begünstigten verteilen möchte. Der Berater hat sodann zu klären, das Recht welchen Staates auf die Situation anzuwenden ist (siehe Rdn 24 ff.), um beurteilen zu können, ob und wie das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann. Hier kommt das Internationale Privatrecht ins Spiel. Dabei handelt es sich nicht um ein überstaatliches, einheitliches Regelungssystem, das in allen Staaten gleichermaßen gilt, sondern um nationales Recht. Jeder Staat verfügt noch über sein eigenes Internationales Privatrecht. Das Internationale Privatrecht regelt – jeweils aus nationaler Sicht –, welche Zivilrechtsordnung bei internationalen Fallkonstellationen anwendbar sein soll, die heimische oder die ausländische. Das deutsche internationale Erbrecht bestimmt daher, ob in einem konkreten Fall deutsches oder ausländisches materielles Erbrecht anzuwenden ist. Bei Erbfällen jedoch haben sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme von Dänemark, Großbritannien und der Republik Irland) ein einheitliches Anknüpfungsrecht gegeben. Dieses trat bereits am 16.8.2012 in Kraft. Nach Ende der Übergangsregelung bestimmen nunmehr seit dem 17.8.2015 alle europäischen Staaten, welche das Abkommen ratifiziert haben, den Anknüpfungspunkt zur Bestimmung der Erbfolge einheitlich. Die Verordnung findet auf alle Erbfälle Anwendung, die nach dem 17.8.2015 eingetreten sind (vgl. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO). Auch im Bereich des Güterrechts hat es eine einschneidende Novelle hin zu mehr Europäischer Harmonisierung gegeben. Dort ist seit dem 29.1.2019 die Verordnung (EU) 2016/1103 vom 24.6.2016 des Rates zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands, kurz EuGüVO, in Kraft getreten. Insgesamt gilt diese Verordnung in 18 Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Rz. 7
Darüber hinaus sind die Regelungen in Staatsverträgen zu beachten. Gem. Art. 3 Nr. 2 EGBGB genießen Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, Vorrang vor den Bestimmungen des EGBGB. Für die Anwendbarkeit des Vorrangs des Staatsvertrages ist es also nicht ausreichend, dass der Vertrag ratifiziert wurde. Er muss vielmehr auch durch ein Parlamentsgesetz bestätigt worden sein. Unter den multilateralen Staatsverträgen gilt für Deutschland, auf dem Gebiet des Erbrechts, derzeit lediglich das Haager Testamentsformübereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht. Dies änderte sich auch nicht mit der Einführung der EuErbVO, da gem. Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 2 EuErbVO in allen Staaten, die das Haager Testamentsformübereinkommen ratifiziert haben, diese Regelungen weiterhin anstelle von Art. 27 EuErbVO gelten. Einzige Ausnahme ist die Anknüpfung der Form von schriftlichen Erbverträgen. Diese erfolgt nunmehr stets nach Art. 27 EuErbVO, welcher jedoch weitestgehend identisch ist mit den Regelungen im Haager Testamentsformabkommen. Bei den binationalen Staatsverträgen sind insbesondere das Deutsch-Iranische Niederlassungsabkommen, der Deutsch-Türkische Konsularvertrag und der Deutsch-Sowjetische Konsularvertrag von praktischer Bedeutung. Letzterer gilt für Russland und bis zum Abschluss neuer Abkommen auch für Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Tadschikistan, Weißrussland, Ukraine und Usbekistan weiter. Diese Abkommen bleiben auch nach Einführung der EuErbVO in Kraft und haben Vorrang vor Art. 21 EuErbVO.
Rz. 8
Das deutsche Internationale Privatrecht ist in den Art. 3 ff. EGBGB geregelt. Die das Erbrecht betreffenden Normen sind in der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) geregelt, welche über Art. 3 Nr. 1 lit. e EGBGB direkte Anwendung findet. Art. 25 EGBGB wird nur noch in den Fällen angewandt, in welcher die EuErbVO keine Anwendung findet. Effektiv dient diese Norm nur noch dazu, etwaige Regelungslücken zu vermeiden. Ferner ist Art. 25 a.F. EGBGB für Altfälle vor dem 17.8.2015, also vor Einführung der EuErbVO, relevant.
Bevor die Wirkungen dieser Normen dargestellt werden, sollen zunächst einige grundlegende Begriffe des Internationalen Privatrechts erörtert werden.
Rz. 9
Im Internationalen Privatrecht unterscheidet man grundlegend zwischen Kollisionsnormen und Sachnormen. Während Kollisionsnormen auf der Rechtsfolgenseite die anzuwendende Rechtsordnung bestimmen, d.h. Anwendung deutschen materiellen Rechts bzw. des ausländischen materiellen Rechts, treffen sie selbst keine Sachentscheidung. Kollisionsnormen enthalten in ihrem Tatbestand zwei Elemente: Anknüpfungsgegenstand und Anknüpfungsmoment. Der Anknüpfungsgegenstand ist de facto das Einfallstor für die Anw...