Rz. 57
Nicht nur materielles Erbrecht ist bei der Nachfolgeplanung zu beachten, auch Formfragen spielen eine große Rolle.
1. Allgemeines
Rz. 58
Sollen letztwillige Verfügungen in mehreren Ländern um- und durchsetzbar sein, ist es unerlässlich, bei der Planung der Nachfolge auch die länderspezifischen Formerfordernisse zu berücksichtigen. In der Praxis scheitern Nachfolgeplanungen häufig daran, dass die Formerfordernisse eines Landes nicht ausreichend berücksichtigt wurden und dort letztlich anstelle der gewünschten Erbfolge die gesetzliche zum Tragen kommt. Häufig anzutreffen ist diese Situation, wenn in einem Land der Abschluss eines Erbvertrages, Ehe- und Erbvertrages oder aber gemeinschaftlichen Testamentes verboten ist. Bis zur Einführung der EuErbVO war in den meisten romanischen Rechtskreisen die Errichtung eines Erbvertrages schlichtweg unvorstellbar. Gleiches galt für die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes. In einigen südeuropäischen Rechtsordnungen stellten solche gemeinschaftlichen vertraglichen Konstrukte teilweise sogar einen Verstoß gegen den ordre public dar. Etwas Entspannung in diesem Bereich ist nunmehr mit Art. 25 EuErbVO eingetreten. Dieser gestattet ausdrücklich die Errichtung eines Erbvertrages, sofern der Staat, in welchem der Erbvertrag errichtet wurde, den Erbvertrag in seiner Rechtsordnung kennt und gestattet. Höchst problematisch geblieben ist die Situation jedoch bei dem gemeinschaftlichen Testament sowie bei einer wechselbezüglichen Erbeinsetzung. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit Südeuropa-Bezug muss diesbezüglich nach wie vor dringend abgeraten werden.
2. Umfang des Formstatutes
Rz. 59
Für den Fall, dass das Haager Testamentsformübereinkommen nicht anwendbar ist (vgl. Rdn 7), ist gem. Art. 27 EuErbVO eine letztwillige Verfügung formgültig, wenn sie den folgenden Formerfordernissen entspricht:
1. |
dem Recht des Staates entspricht, in dem die Verfügung errichtet oder der Erbvertrag geschlossen wurde, |
2. |
dem Recht eines Staates entspricht, dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung bzw. des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes angehörte, |
3. |
dem Recht eines Staates entspricht, in dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes den Wohnsitz hatte, |
4. |
dem Recht des Staates entspricht, in dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder |
5. |
dem Recht des Staates entspricht, in dem sich unbewegliches Vermögen befindet, soweit es sich um dieses handelt. |
Art. 27 EuErbVO übernimmt der Text des Haager Testamentsformübereinkommens in großen Teilen mit Ausnahme der Öffnungsklausel des Art. 3 Haager Testamentsformübereinkommen.
3. Haager Testamentsformübereinkommen
Rz. 60
Die Einführung der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) hat das Haager Testamentsformabkommen grundsätzlich nicht berührt. Dieses wird vorrangig vor der EuErbVO gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO angewandt. Unterliegt die letztwillige Verfügung jedoch nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des Haager Testamentsformabkommens, so unterliegt sie Art. 27 EuErbVO. Im Haager Abkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 findet sich keine Erläuterung darüber, was zur "Form" einer letztwilligen Verfügung dazu gehört. Die wohl h.M. legt den Begriff nach der lex fori, also dem jeweiligen Recht des Gerichtsstands aus. Aus deutscher Sicht zählen hierzu alle Regeln, die der Beweisbarkeit, Authentizität und Originalität des Erblasserwillens dienen und dazu eine bestimmte äußere Gestaltung der letztwilligen Verfügung vorschreiben. Abweichend hiervon gilt für das Verbot der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments zunächst das hypothetische Erbstatut. Versteht das hierauf anzuwendende Landesrecht das Verbot der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments als Sachverbot, ist das Haager Testamentsformübereinkommen nicht anzuwenden, da das Landesrecht dieses Verbot nicht den Formerfordernissen zuordnet. Kommt das Landesrecht jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich um ein Formverbot handelt (z.B. Frankreich), so ist das Haager Testamentsformübereinkommen zu beachten.
Rz. 61
Das Haager Testamentsformübereinkommen kennt zehn alternative Anknüpfungsmöglichkeiten. Dabei ergeben sich acht Möglichkeiten ...