Rz. 91
Der Besteuerungsanspruch Deutschlands im Bereich der Erbschafts- und Schenkungsteuer ist so umfassend, dass er sich mit entsprechenden Besteuerungsansprüchen anderer Staaten überschneiden kann. Unterstellt man, die deutschen Vorschriften würden sinngemäß auch im Ausland gelten, wird verständlich, dass Überschneidungen praktisch unvermeidbar sind. Schließlich findet, bei einer unbeschränkten Steuerpflicht i.S.d. ErbStG, für den gesamten Vermögensanfall eine Besteuerung statt (Weltvermögensprinzip).
Rz. 92
Beispiel
Der Erblasser lebt im Ausland, der Erbe in Deutschland. In Deutschland unterliegt der Vorgang der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, da der Erbe Inländer ist. Unterstellt man dem Ausland dieselbe Norm, unterliegt dieser Vorgang auch im Ausland der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht, weil der Erblasser dort lebte. Letztlich wird derselbe Vorgang zweimal vollständig besteuert. Es liegt eine Doppelbesteuerung vor.
Rz. 93
Es ist aber auch denkbar, dass ein und dieselbe Person ein die unbeschränkte Steuerpflicht begründendes Merkmal in mehreren Staaten erfüllt, indem er z.B. neben seinem Wohnsitz in einem Staat noch ein Feriendomizil in einem anderen Staat besitzt oder sein Heimatstaat auf das Weltvermögen seiner Staatsangehörigen zugreift.
Rz. 94
Werden in Deutschland steuerpflichtige Erwerbe auch im Ausland einer Besteuerung unterworfen, räumt Deutschland durch § 21 ErbStG die Möglichkeit der Anrechnung der ausländischen Steuer ein. § 21 ErbStG setzt die unbeschränkte Steuerpflicht sowie eine Entsprechung der ausländischen Steuer gegenüber der deutschen Erbschaftsteuer voraus. Weiterhin wird die ausländische Erbschaftsteuer nur innerhalb von fünf Jahren seit dem Entstehungszeitpunkt und nur bis zur Höhe der deutschen Steuer anerkannt. Die Anwendung von § 21 ErbStG wird durch das Vorhandensein eines Doppelbesteuerungsabkommens auf dem Gebiet der Erbschafts- und Schenkungsteuer ausgeschlossen. Durch die Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer kommt es bei einer niedrigeren ausländischen Erbschaftsteuer zu ihrer Erhöhung auf das deutsche Niveau.
Rz. 95
Beispiel
Der Erbe lebt in Deutschland, der Erblasser im Ausland. Beide Länder sehen den Vorgang als unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig an. Deutschland besteuert den Erbanfall mit 19 %, der ausländische Staat lediglich mit 10 %. Gem. § 21 ErbStG kann der Erbe die im Ausland entrichtete Erbschaftsteuer in Deutschland anrechnen. Somit zahlt er im Ausland 10 %, in Deutschland 9 % (19 % minus 10 %), insgesamt 19 %. Dies entspricht dem Besteuerungsniveau in Deutschland.
Ist die deutsche Erbschaftsteuer niedriger als die ausländische, setzt sich auch hier das höhere Besteuerungsniveau durch. Deutschland erhebt 19 % Erbschaftsteuer auf den Eigentumsübergang, der ausländische Staat 30 %. Der Erbe zahlt im Ausland 30 % Erbschaftsteuer, kann aber in Deutschland maximal den deutschen Steuersatz anrechnen, im Beispiel also 19 %. Somit zahlt der Erbe in Deutschland 0 % Erbschaftsteuer.
Rz. 96
Die Anrechnungsmethode gewährleistet folglich keine volle Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer, sondern ist beschränkt auf die Höhe der dem Auslandsvermögen entsprechenden anteiligen Inlandssteuer.
Die ausländische Steuer kann nur auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden, wenn sie ihr entspricht, d.h. wenn sie mit der deutschen Erbschaftsteuer wesensgleich ist. Die ausländische Steuer entspricht dann der deutschen Erbschaftsteuer, wenn sie unmittelbar durch den Tod einer Person ausgelöst wird und den Nachlass dieser Person beim Übergang erfasst. In Ländern mit einer Erbanfallsteuer oder einer Nachlasssteuer ist diese Voraussetzung i.d.R. erfüllt. Handelt es sich demgegenüber um eine Wertzuwachssteuer, ist sie den Ertragsteuern zuzurechnen, und eine Anrechnung scheidet mangels Entsprechung aus, z.B. kanadische capital gains tax. Eine Anrechnung scheidet gleichfalls aus, wenn es sich bei dem im Ausland besteuerten Vermögen nicht um Auslandsvermögen i.S.d. § 21 ErbStG handelt.
Rz. 97
Praxistipp
War der Erblasser Inländer, gelten nur Vermögensgegenstände gem. § 121 BewG als Auslandsvermögen. Dadurch wird die Anrechnungsmöglichkeit zum Nachteil des Steuerpflichtigen begrenzt, da nicht alle aus ausländischer Sicht im Ausland belegenen Wirtschaftsgüter in Deutschland als Auslandsvermögen gelten. Dies trifft z.B. auf das Vereinigte Königreich zu, da dort bei beschränkter Steuerpflicht auch Anteile von Kapitalgesellschaften unterhalb von 10 % der Erbschaftsteuer unterliegen. Daher sind diese Vermögensgegenstände in Deutschland von der Anrechnung ausgeschlossen und es kommt zu einer Doppelbesteuerung. In solchen Fällen ist zu überprüfen, ob die Gesellschaftsanteile nicht auf 10 % aufgestockt werden können.
Dieses Problem kann auch bei beweglichen körperlichen Gegenständen auftreten, z.B. Luxusjachten, da diese gerade in Staaten mit langen Küstenlinien bei Dauerliegeplatz häufig als...