Rz. 16

Sowohl die in Abs. 1 als auch die in Abs. 2 des Art. 22 EuErbVO angeordnete Verweisung folgt dem Grundsatz der Nachlasseinheit. Dabei ist es de facto unbeachtlich, dass Abs. 2 der Norm nicht von der gesamten, sondern nur von der Rechtsnachfolge von Todes wegen spricht. Erfasst werden soll also stets der gesamte Nachlass, wo auch immer sich einzelne Nachlassteile befinden.[28] Handelt es sich bei dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers um einen Vertragsstaat der EuErbVO, so sind dessen Sachvorschriften entsprechend anzuwenden. Handelt es sich jedoch indes um einen Drittstaat, so sind Rück- und Weiterverweisung nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO beachtlich.[29]

 

Rz. 17

Exkurs: Zuständiges Gericht gemäß Art. 4 EuErbVO

Sofern sich das Erbstatut anhand des Art. 21 EuErbVO bestimmt, so geht damit gleichzeitig die Zuständigkeit des Gerichts gemäß Art. 4 EuErbVO einher. Dieser regelt, dass für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser, freilich im Zeitpunkt seines Todes, seinen gewöhnlichen Aufenthalt innehatte. Mit Art. 4 EuErbVO wird dem Prinzip der Nachlasseinheit ausdrücklich Rechnung getragen.[30] Dabei wird in Art. 4 EuErbVO ausdrücklich nicht von streitigen und nichtstreitigen Erbsachen unterscheiden. Gewünscht ist eine Zuständigkeitskonzentration für sämtliche Erbsachen.[31] Wie weit diese Konzentration der Zuständigkeit geht, ist aktuell in der deutschen Rechtsprechung und Literatur umstritten. Insbesondere umkämpft ist die Rechtsmeinung, ob Art. 4 EuErbVO die §§ 343 und 105 FamFG sperrt.[32] Das Kammergericht hat diese Rechtsfrage nunmehr dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.[33]

[28] MüKo/Dutta, Art. 21 EuErbVO Rn 9.
[29] Zimmermann/Grau, Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze, EuErbVO Rn 172.
[30] Lagarde, Rev. crit. dr. int. Pr. 101 (2012), 691 (696).
[31] Ratsdokument Nr. 8228/10 S. 7 Fn.2.
[32] Pro: Jauernig/Stürner, Art. 62–73 Rn 7 und OLG Hamburg FamRZ 2017, 568; Contra: KG FamRZ 2017, 564, Streitstand umfangreich dargestellt in: MüKo/Dutta, Vor Art. 4 EuErbVO Rn 5.
[33] Rechtssache Oberle (Rs. C-20/17).

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