Rz. 103
Das Verhältnis zwischen Erbstatut und Güterrechtsstatut kann im Rahmen der Nachlassabwicklung mit internationalem Bezug problembehaftet sein. Schließlich findet im Erbfall sowohl im Erb- als auch im Güterstatut die Verteilung von Vermögen statt. Stimmen Erbstatut und Güterstatut überein, unterliegen also derselben Rechtsordnung, so kommt es im Rahmen der Nachlassabwicklung in aller Regel zu keinen Problemen. Fallen die Statute jedoch auseinander, so ist deren Bestimmung und Abgrenzung unbedingt erforderlich.
Die Bestimmung des Güterstatuts erfolgt nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB. Darüber hinaus kann durch einen Ehevertrag das Güterrechtsstatut gemäß Art. 15 Abs. 2 EGBGB verändert werden. Für den Rest des beweglichen sowie im Ausland belegenen Vermögens sind die Harmonisierungsmöglichkeiten jedoch oft nicht vorhanden.
Rz. 104
Sofern das Güterstatut nicht mit dem Erbstatut übereinstimmt, tauchen nach dem Tod eines Ehegatten fast zwangsläufig Probleme insbesondere mit dem Erbrecht des Ehegatten auf. Fast schon klassisch ist die Diskussion betreffend der Einordnung des § 1371 BGB in den Kontext der erbrechtlichen Normen und wann diese Vorschrift bei Sachverhalten mit Auslandsbezug anzuwenden ist.
1. Einordnung des § 1371 BGB
Rz. 105
Vorherrschend ist, dass § 1371 BGB, obwohl eine mit dem Erbrecht sehr enge Verzahnung besteht, noch immer als reine güterrechtliche Norm zu qualifizieren ist. Dabei ist jedoch beachtlich, dass über § 1371 BGB der schematisierte Zugewinnausgleich, welcher im Güterrecht der Ehegatten seinen Ausgangspunkt hat, erbrechtlich realisiert wird. Unerheblich ist dabei, ob überhaupt tatsächlich ein Zugewinn erwirtschaftet wurde oder nicht. In der Rechtsprechung indes überwogen in den vergangenen Jahren Entscheidungen, nach denen die Erbquoten ausschließlich nach dem Erbstatut bestimmt werden. Weiter befeuert werden dürfte der Streit durch die vor kurzem ergangene Entscheidung des EuGH zur Aufnahme der pauschalen Erhöhung nach § 1371 BGB als weiteres ¼ Erbquote der Ehegattin in einem Europäischen Nachlasszeugnis. Der EuGH hat in diesem Fall die Aufnahme im ENZ "wie selbstverständlich" angenommen und (ggf. zu recht) erbrechtlich qualifiziert.
2. Anwendbarkeit des § 1371 BGB bei Auslandsbezug
Rz. 106
Es erscheint angebracht, deutsches Güterstatut und ausländisches Erbstatut als kombinationsfähig anzusehen und, soweit erforderlich, einer "anpassenden Reduktion" zu unterziehen. Dies erhöht also den Erbteil des Ehegatten (pauschalierter Zugewinnausgleich) trotz des Umstandes, dass der § 1371 BGB derzeit noch als reine güterrechtliche Norm zu qualifizieren ist und auch nach Auffassungen im Schrifttum nach Einführung der EuErbVO weiterhin möglich erscheint. Die zuvor erwähnte "anpassende Reduktion" soll immer dann angewandt werden, wenn die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils – nach ausländischem Recht – zu einer höheren Erbquote führt als dies bei der Anwendung deutschen Ehegüter- und Erbrechts der Fall wäre.
Rz. 107
Es bleibt abzuwarten, welche langfristigen Impulse von der nunmehr ergangenen Positionierung des EuGH ausgehen werden. Im internationalen Bezug jedenfalls ist die Erhöhung der Erbquote auf zwei Mal ¼ mithin ½ (§§ 1371 und 1931 BGB) beim überlebenden Ehegatten, unter Anwendung deutschen gesetzlichen Erbrechts, jedenfalls keine Schlechterstellung des überlebenden Ehegatten im internationalen Erbfall. Allein aus rein pragmatischen Gesichtspunkten spricht einiges dafür, im internationalen Erbfall stets von einer erbrechtlichen Qualifizierung auszugehen.
3. Exkurs: Die neue Europäische Güterrechtsverordnung EU 2016/1103
Rz. 108
Nach Einführung der EuErbVO wurde schnell der Ruf nach einer weiteren Harmonisierung auch im Bereich des Familienrechts laut. Der Rat verabschiedete am 26.6.2016 die Verordnung 2016/1103 "zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands" (EuGüRVO). Diese Verordnung tritt zum 29.1.20...