Rz. 29
Ein Vorhaben ist nur dann zulässig, wenn es gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist dies dann der Fall, wenn das Vorhaben am Maßstab des Ziels des jeweiligen Fachplanungsrechts "vernünftigerweise" geboten ist. Die das Vorhaben rechtfertigenden Gründe ergeben sich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsrechts.
Bei Verkehrsstrecken sind insbesondere folgende Ziele als Rechtfertigungstatbestände anerkannt:
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Verbesserung der (überregionalen) Verkehrsverbindungen, |
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verkehrsmäßige Erschließung von Gebieten, |
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Beseitigung von Gefahrenstellen, |
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Entlastung innerörtlicher Verkehrsverhältnisse, |
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Erhaltung, Verbesserung des Verkehrsflusses, |
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Erhöhung der Verkehrssicherheit, |
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Schaffung eines mehrgliedrigen Verkehrssystems, |
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Verbesserung der Attraktivität des öffentlichen Personenverkehrs im Verhältnis zum Individualverkehr, etwa durch Verkürzung der Transportzeiten, |
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Anhebung des Beförderungskomforts durch Planfeststellung einer Schnellbahntrasse. |
In jüngerer Zeit ist der Gesetzgeber dazu übergegangen, die Planrechtfertigung im Wege gesetzgeberischer Bedarfsfeststellung verbindlich für Planfeststellungsbehörde und Verwaltungsgerichte festzusetzen. Zum Beispiel durch Art. 27 des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 28.6.1990, wurde unter Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes bestimmt, dass die in den Bedarfsplan aufgenommenen Bau- und Ausbauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 FStrAbG entsprechen. Die Feststellung des Bedarfs ist danach für die Planfeststellung nach § 17 FStrG verbindlich (§ 1 Abs. 2 S. 2 FStrAbG). Entsprechendes gilt im Eisenbahnrecht. Nach § 1 Abs. 1 BSWAG (Bundesschienenwegeausbaugesetz) vom 15.11.1993 wird das Schienenwegenetz des Bundes nach einem Bedarfsplan ausgebaut, der dem Gesetz als Anlage beigefügt ist. Nach § 1 Abs. 2 BSWAG ist die Festsetzung des Bedarfs für die Planfeststellung verbindlich. Das Eisenbahnneuordnungsgesetz (ENeuOG) vom 27.12.1993 und das darin enthaltene Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) vom 27.12.1993 haben dies übernommen. Auch im Bereich des Energiewirtschaftsrechts ist der Bundesgesetzgeber für Teilbereiche (Höchstspannungsleitungsnetz ab 380 kV zur Einbindung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien) zum Erlass eines Bedarfsgesetzes übergegangen (Energieleitungsausbaugesetz – EnLAG v. 21.8.2009).
Die Verwaltungsgerichte sind an die gesetzliche Bedarfsfestlegung gebunden. Kommt ein Verwaltungsgericht aufgrund eigener verfassungsrechtlicher Prüfung zum Ergebnis, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung gegen das Grundgesetz verstößt, und kommt es hierauf für die vom jeweiligen Verwaltungsgericht zu treffende Entscheidung entscheidungserheblich an, muss das Gericht die Frage nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vorlegen. Hierauf hat das BVerwG hingewiesen. Eine verfassungswidrige Bedarfsfestlegung kommt nur in Betracht, wenn der Gesetzgeber sich von sachfremden und fachlich nicht haltbaren Prognosen im Hinblick auf den festgestellten Bedarf hat leiten lassen.