Rz. 54
Erfüllt ein Vorhaben die Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG und ist auch ein vorgezogener Ausgleich nach § 44 Abs. 5 BNatSchG erfolglos, ist zu prüfen, ob das Vorhaben über eine Ausnahme zugelassen werden kann nach § 45 Abs. 7 BNatSchG. Neben der Voraussetzung des Nachweises der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solche sozialer oder wirtschaftlicher Art, die für die Realisierung der Planung sprechen, sofern für das Vorhaben nicht in § 45 Abs. 7 Nr. 1–4 BNatSchG aufgeführte Gründe – wie Schadensabwehr, Forschung und Lehre, menschliche Gesundheit und Sicherheit oder Naturschutz – den Ausschlag geben sowie einer rechtssicheren Prüfung zumutbarer Alternativen, fordert § 45 Abs. 7 BNatSchG, dass sich der Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Art "nicht verschlechtert", soweit nicht Art. 16 Abs. 1 FFH-RL weitergehende Anforderungen enthält.
Rz. 55
Anders als beim Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist im Rahmen der Ausnahme nicht der Erhaltungszustand des von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen lokalen Vorkommens maßgeblich, sondern es ist eine gebietsbezogene Betrachtung anzustellen, die auch die anderen (Teil-)Populationen der Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in den Blick nimmt. Im Hinblick auf das Ziel der FFH-RL, nämlich die Artenvielfalt zu sichern, kommt es somit gerade nicht darauf an, jede lokale Art an ihrem Ort zu schützen, sondern es bedarf einer gebietsbezogenen Betrachtung, für die der Behörde ein naturschutzfachlicher Einschätzungsspielraum eingeräumt ist.
Über den Verweis auf die Anforderungen nach Art. 16 FFH-RL wird für die Arten nach Anhang IV der FFH-RL der Maßstab verschärft; danach darf eine Ausnahme nur erteilt werden, wenn für die Art weiterhin ein günstiger Erhaltungszustand besteht. Nach einem Urteil des EuGH kann jedoch auch bei einem nicht günstigen Erhaltungszustand eine Ausnahme erteilt werden, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die Ausnahme den ungünstigen Erhaltungszustand der Population nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern kann.
Rz. 56
In die Bewertung des Erhaltungszustandes können Ausgleichsmaßnahmen einbezogen werden, die getroffen werden, um Auswirkungen auf die Populationsebene und der biogeographischen Region der jeweiligen Art auszugleichen (FCS-Maßnahmen, favourable conservation status). Im Unterschied zu CEF Maßnahmen nach § 44 Abs. 5 müssen diese Maßnahmen nicht auf die jeweilige Lebensstätte oder die lokale Population bezogen sein. Sie sollten jedoch schon vor oder spätestens zum Zeitpunkt der Zerstörung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte Wirkung zeigen.