1. Bedeutung materieller Mängel
Rz. 26
Da detaillierte gesetzliche Regelungen kaum vorhanden sind, hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung zu den materiell-rechtlichen Anforderungen an die Planfeststellung entwickelt. Ausgangspunkt ist die Existenz planerischer Gestaltungsfreiheit. Rechtliche Schranken für diese ergeben sich jedoch aus dem Gebot der
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Berücksichtigung des "sekundären" materiellen Rechts |
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Berücksichtigung rechtlicher Vorentscheidungen |
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Planrechtfertigung |
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Planungsleitsätze |
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Abwägung. |
Inhaltliche Fehler des Planfeststellungsbeschlusses machen diesen grundsätzlich rechtswidrig und aufhebbar, wenn dadurch Dritte in ihren Rechten verletzt werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Allerdings sehen einzelne Fachgesetze (z.B. § 29 Abs. 8 PBefG) sowie insbesondere § 75 Abs. 1a VwVfG, der nach § 72 Abs. 1 VwVfG auch für die Fachgesetze gilt, die keine speziellen Vorschriften hierzu enthalten, vor, dass Mängel bei der Abwägung nur erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Den bereits zuvor bestehenden richterrechtlichen Grundsatz, wonach Planaufhebung nicht gefordert werden kann, wenn der Fehler durch Planergänzung behoben werden kann, haben die genannten Vorschriften nunmehr auch positivrechtlich normiert.
2. Sekundäres materielles Recht
Rz. 27
Nach § 75 Abs. 1 VwVfG wird durch die Planfeststellung die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt. Neben der Planfeststellung sind andere Entscheidungen, wie öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Erlaubnisse usw. nicht erforderlich. Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Aus diesen Wirkungen folgt, dass der Planfeststellungsbeschluss alle von seinem Regelungsbereich berührten Rechtsvorschriften beachten muss (sog. sekundäres materielles Recht). In Betracht kommen insbesondere Bundesrecht, Landesrecht und Europarecht. Eine "materielle Konzentration" in der Weise, dass nur das Fachplanungsrecht zu beachten wäre, findet gerade nicht statt. Welchen Umfang die Bindung an Rechtsvorschriften hat, hängt vom Inhalt der einschlägigen Rechtsvorschriften ab. Dieser Inhalt ist mit den bekannten Regeln der Auslegung zu ermitteln. Sieht etwa eine Naturschutzgebietsverordnung ein Verbot baulicher Anlagen vor, darf das Vorhaben nicht im Naturschutzgebiet gebaut werden. Enthält etwa die Naturschutzgebietsverordnung oder sonstiges Naturschutzrecht – wie dies regelmäßig der Fall ist – Ausnahmetatbestände, sind die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulassung der Baummaßnahme zu prüfen. Das Vorhaben kann bei Bejahung der Voraussetzungen durch Planfeststellungsbeschluss zugelassen werden.
3. Rechtliche Vorentscheidungen
Rz. 28
Entscheidungen der Planfeststellungsbehörden können in höherstufige Raum- und Fachplanungen eingebunden sein, die den planerischen Freiraum einschränken. Bindungen können eintreten durch z.B. Landesentwicklungs- oder Regionalpläne in Verbindung mit den Vorschriften des Raumordnungsgesetzes. Bindungen können sich auch aus Flächennutzungsplänen unter der Voraussetzung des § 7 BauGB oder aus einer Linienbestimmung nach § 16 FStrG ergeben.
Ist der Planfeststellung ein Raumordnungsverfahren vorangegangen, ist die raumordnerische Beurteilung – die kein Verwaltungsakt, sondern eine behördeninterne gutachterliche Stellungnahme ist – im Rahmen der Abwägung bei der Planfeststellung zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 2 ROG mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 ROG). Unterbleibt ein nach Raumordnungsrecht durchzuführendes Raumordnungsverfahren, wird dadurch die Planfeststellung nicht unzulässig, sondern darf gleichwohl erfolgen. Allerdings hat die Planfeststellungsbehörde auch dann zu prüfen, ob das Vorhaben den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung entspricht. Das Fehlen eines an sich gebotenen Raumordnungsverfahrens macht die Planfeststellung nicht rechtswidrig.
4. Planrechtfertigung
Rz. 29
Ein Vorhaben ist nur dann zulässig, wenn es gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist dies dann der Fall, wenn das Vorhaben am Maßstab des Ziels des jeweiligen Fachplanungsrechts "vernünftigerweise" geboten ist. Die das Vorhaben rechtfertigenden Gründe ergeben sich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsrechts.
Bei Verkehrsstrecken sind insbesondere folgende Ziele als Rechtfertigungstatbestände anerkannt:
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Verbesserung der (überregionalen) Verkehrsverbindungen, |
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verkehrsmäßige Erschließung von Gebieten, |
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Beseitigung von Gefahrenstellen, |
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Entlastung innerörtlicher Verkehrsverhältnisse, |
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Erhaltung, Verbesserung des Verkehrsflusses, |
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Erhöhung ... |