Rz. 61
Die herrschende Meinung lehnt es ab, die Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten anzusehen. Sie mindern demnach auch nicht den Nachlasswert im Verhältnis zu dem Pflichtteilsberechtigten.
Als allgemeine Formel gilt, dass es sich bei der Grabpflege um eine "sittliche Pflicht" handelt. Diese soll auch den Angehörigen obliegen. Es zeigt sich eine gewisse Parallele zu der ebenfalls nur gewohnheitsrechtlich geregelten Totenfürsorgepflicht. Die Grabpflegekosten sind danach nicht unbedingt von den Erben zu tragen, § 1968 BGB greift nicht. Schließlich kann begrifflich die "Bestattung" als vor der Grabpflege abgeschlossen angesehen werden.
Rz. 62
Eine andere Ansicht beruft sich auf § 10 Abs. 5 ErbStG:
Zitat
"Von dem Erwerb sind, …, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig … Nr. 3 die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Für diese Kosten wird insgesamt ein Betrag von 10 300 EUR ohne Nachweis abgezogen. …"
Rz. 63
Darauf hinweisend wurde argumentiert, dass der Gesetzgeber die Grabpflegekosten nun denen der Bestattung unterordne. Dafür spricht auch der Umstand, nach dem eine Bestattung nur möglich ist, wenn eine Grabstelle erworben wird. Diese muss dann auch meist gepflegt werden. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.
Rz. 64
Allerdings müssen steuer- und zivilrechtliche Wertungen nicht zwingend parallel laufen. Das OLG Schleswig-Holstein verwies unter anderem auf diesen Umstand und lehnte eine Berücksichtigung der Grabpflegekosten ab. Bei einer testamentarischen Verpflichtung sei eine Berücksichtigung aber möglich. Das AG Neuruppin und das LG Heidelberg hatten die Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten charakterisiert.
Rz. 65
Solange es hinsichtlich der Grabpflege im BGB keine Regelung gibt, sollten die Grabpflegekosten nach der herrschenden und auch hier vertretenen Meinung nicht als Nachlassverbindlichkeiten gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten abgezogen werden dürfen. Dies gilt auch hinsichtlich einer testamentarischen Verfügung. Schließlich wird auch ein belastendes Vermächtnis nicht zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten berücksichtigt.
Rz. 66
Gegen eine Berücksichtigung spricht zum einen der Charakter der Grabpflege. Sie wird als sittliche Pflicht angesehen. Dahinter steht wohl das Bild, nach welchem die Grabpflege ohne Zwang durch eine konkrete andere Person übernommen wird. Die Pflicht könnte also als moralisch gesehen werden und ist damit nicht wertmindernd gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten.
Rz. 67
Es sollte in dieser Frage auch der praktische Hintergrund berücksichtigt werden, insbesondere die Manipulationsmöglichkeiten. Der Pflichtteilsanspruch könnte gerade bei kleineren Nachlässen erheblich reduziert oder sogar ganz ausgeschlossen werden, wenn Grabpflegekosten als abzugsfähig anerkannt würden. Eine Hochrechnung von Grabpflegekosten ist relativ leicht möglich. Die Liegezeit wird meist vom Friedhof bestimmt (oft 20 Jahre). Die Kosten einer professionellen Grabpflege sind durch Angebote von Friedhofsgärtnern zu ermitteln. Ein Betrag von 10.000 EUR ist schnell erreicht, insbesondere wenn auch die Überwachung und Überprüfung der Standfestigkeit des Grabmales und seine Grundreinigung alle paar Jahre miteinbezogen werden.
Rz. 68
Für den Erben ist es aber recht leicht, die tatsächlichen Kosten später erheblich zu reduzieren. Mit einer Dauerbepflanzung statt einer Wechselbepflanzung sinken die Aufwendungen erheblich. Pflanzt der Erbe diese auch noch selbst, bewegen sich die tatsächlichen Kosten auch über 20 Jahre eher bei wenigen hundert Euro als bei 10.000. Ein zu Beginn zum Schein geschlossener Grabpflegevertrag kann wieder gekündigt werden. Oder der Erbe kümmert sich gar nicht um das Grab und überlässt die Sorge dem Friedhof.
Der Erbe könnte auf diesem Weg also eine tatsächlich nicht in dieser Höhe (nachhaltig) entstandene Nachlassverbindlichkeit schaffen und den Pflichtteilsanspruch reduzieren. Auch aus diesem Grund sollte ein Ansatz der Grabpflegekosten bei der Berechnung des gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten relevanten Aktivnachlasses unterbleiben.