I. Grenze der Zulässigkeit
Rz. 5
Nach Beendigung des Arbeitsvertrages unterliegt der Arbeitnehmer einem Konkurrenzverbot nur dann, wenn der Arbeitgeber dies mit ihm zuvor wirksam vereinbart hat. Automatisch gilt das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht. Es gilt auch dann nicht, wenn die Parteien zwar eine solche Wettbewerbsvereinbarung gewollt haben, hierbei aber nicht die vom Gesetz zwingend vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Grenze der Zulässigkeit für nachvertragliche Aktivitäten bilden in diesen Fällen die §§ 138 BGB, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, 826 BGB und 242 BGB insb. unter dem Gesichtspunkt des Verbotes, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse selbst oder über Dritte zu verwerten (vgl. dazu BAG v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502). Bis zum 25.4.2019 galt zudem § 17 UWG als Grenze der Zulässigkeit, an dessen Stelle (sowie an die der §§ 18 und 19 UWG) nunmehr das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) getreten ist, welches am 26.4.2019 in Kraft trat (zu Inhalt und Neuerungen Ohly, GRUR 2019, 441 ff.).
II. Gesetzliche Regelung
Rz. 6
Gesetzlich geregelt sind die Vorschriften über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in den §§ 74 bis 75f HGB. Diese Vorschriften wurden nur für kaufmännische Angestellte geschaffen. Nachdem jedoch zunächst die Rspr. die Geltung auch auf Arbeitnehmer ausgeweitet hat (BAG v. 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, DB 1970, 63), hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2003 die §§ 74 ff. HGB gem. § 6 Abs. 2 GewO i.V.m. § 110 S. 2 GewO für entsprechend anwendbar erklärt. Für Auszubildende gilt die Sonderregelung des § 12 Abs. 1 BBiG, die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot grds. ausschließt (Ausnahme: § 12 Abs. 1 S. 2 BBiG). Weiterhin finden die Regelungen auf wirtschaftlich abhängig freie Mitarbeiter wegen deren gleicher Schutzbedürftigkeit Anwendung (BGH v. 10.4.2003 – III ZR 196/02, NJW 2003, 1864).
Rz. 7
Die Vorschriften der §§ 74–75c HGB sind zwingend (§ 75d HGB). Von ihnen kann also nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden. Dies gilt auch bei der Regelung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung; von zwingendem Gesetzesrecht kann auch hierdurch nicht abgewichen werden (so auch: MüKo zum HGB/Thüsing, § 75d Rn 9 ff.). Die gesetzlichen Anforderungen an eine wirksame Wettbewerbsvereinbarung sind ferner unabhängig von der Höhe des Arbeitseinkommens zu beachten. Die früher geltenden Vorschriften der §§ 74a Abs. 2 S. 1, 75b HGB a.F. wurden aufgehoben.
Rz. 8
Schließlich können die §§ 320 ff. BGB Anwendung finden, denn die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ist ein gegenseitiger Vertrag. Die Leistung des Arbeitnehmers besteht darin, dass er sich des Wettbewerbs enthält. Die Arbeitgeberleistung liegt in der Zahlung der Karenzentschädigung.
III. Kundenschutzklauseln, Mandantenübernahmeklauseln
Rz. 9
Den Vorschriften zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot können auch sog. Kundenschutzklauseln unterworfen sein. Verbietet der Arbeitgeber seinem ausscheidenden Arbeitnehmer die Mitnahme bestimmter Kunden und deren künftige Betreuung zugunsten eines anderen Arbeitgebers, kann darin indirekt das Verbot oder zumindest eine erhebliche Einschränkung künftiger Berufstätigkeit auf diesem Gebiet liegen; die §§ 74 ff. HGB sind anwendbar. Dabei ist stets zu beachten, dass das berechtigte Interesse des Arbeitgebers je nach Einzelfall nur durch die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots effektiv abgesichert werden kann, da eine Kundenschutzklausel bei wechselndem Kundenstamm stets neu gefasst werden müsste (vgl. LAG Hamm v. 7.10.2019 – 18 SaGa 49/19, BeckRS 2019, 29813 Rn 38). Verspricht der Arbeitgeber in einer solchen Kundenschutzklausel nicht auch die von § 74 Abs. 2 HGB vorgesehene Entschädigungszahlung, ist die Klausel unwirksam und der Arbeitnehmer frei für das Konkurrenzgeschäft (vgl. dazu BAG v. 16.7.1971 – 3 AZR 384/7, BB 1971, 1323; BAG v. 26.11.1971 – 3 AZR 220/71, BB 1972, 447; OLG Köln v. 23.2.2005 – 27 U 19/04, NJOZ 2005, 2585). Insb. allgemeine Mandantenschutzklauseln (z.B. für angestellte Steuerberater und Rechtsanwälte) sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar und weder sittenwidrig noch wegen Verstoßes gegen das Standesrecht unwirksam, sondern nach den §§ 74 ff. HGB zu beurteilen. Mit der gleichen Argumentation sind auch Abwerbungsverbote bzgl. anderer Mitarbeiter des Arbeitgebers unter die §§ 74 ff. HGB zu fassen (vgl. Busch/Dendorfer, BB 2002, 301, 304).
Rz. 10
Differenziert wird bei sog. Mandantenübernahmeklauseln, wonach der ausgeschiedene Arbeitnehmer zur Abgabe von Honoraranteilen an seinen früheren Arbeitgeber für die Übernahme von Mandanten verpflichtet wird. Ist das abzuführende Honorar so hoch, dass die Mandantenübernahme wirtschaftlich keinen Sinn mehr macht, unterliegt die Abrede dem Schutzbereich der §§ 74 ff. HGB (so BGH v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, NJW 1968, 1717 bei 30 % abzuführendem Honoraranteil). Die Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB kann sich auch aus unangemessener Benachteiligung aufgrund einer zu langen Bindungsdauer ergeben (BAG v. 7.8.2002 – 10 AZR 586/01, NZA 2002, 12...