I. Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Rz. 85
Nach § 75 HGB besteht die Möglichkeit, sich einseitig vom Wettbewerbsverbot zu befreien. Unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, ist für den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber unterschiedlich geregelt.
Rz. 86
Der Arbeitnehmer hat nach § 75 Abs. 1 HGB das Recht zur Lossagung von der Wettbewerbsvereinbarung, wenn er das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhaltens seines Arbeitgebers fristlos kündigt (§§ 70, 71 HGB a.F. entsprechen § 626 BGB). Ausreichend ist hier auch eine ordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB, solange der Grund zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würde. Der Arbeitnehmer kann sich in diesem Fall innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Kündigung entscheiden, ob er sich einseitig vom Wettbewerbsverbot lossagen möchte und muss in diesem Fall die Lossagung dem Arbeitgeber schriftlich erklären.
Rz. 87
Daneben besteht das Recht zur arbeitnehmerseitigen Lossagung nach § 75 Abs. 2 HGB auch dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Frist kündigt, ohne dass der Arbeitnehmer zu dieser Kündigung erheblichen Anlass gegeben hat (zum Tatbestandsmerkmal "erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers", vgl. Bauer/ Diller, Wettbewerbsverbote, Rn 664 ff.). Dies liegt insb. bei betriebsbedingten Kündigungen vor. Diese Rechtsfolge kann der Arbeitgeber nur dadurch vermeiden, dass er sich bereits bei Ausspruch der Kündigung bereit erklärt, für die Dauer des vereinbarten Wettbewerbsverbotes nicht nur 50 %, sondern 100 % der bisherigen Vergütung als Entschädigung zu leisten.
Rz. 88
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen grob vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers fristlos gem. § 626 BGB, hat der Arbeitgeber ein Wahlrecht zu entscheiden, ob er die Wettbewerbsvereinbarung bestehen lassen möchte, oder das Wettbewerbsverbot aufgibt. Die frühere Gesetzesvorschrift des § 75 Abs. 3 HGB, wonach in einem solchen Fall das Wettbewerbsverbot zwar bestehen bleibt, der Arbeitgeber aber von der Entschädigungspflicht befreit sein sollte, wurde vom BAG für nichtig erklärt (BAG v. 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, BB 1977, 847 = NJW 1977, 1357). Seitdem wendet die Rspr. auf diesen Fall die Vorschrift des § 75 Abs. 1 HGB (Wahlrecht) analog an (vgl. BAG v. 23.2.1977, a.a.o.). Auch für den Arbeitgeber gilt also die einmonatige Lösungsfrist ab Ausspruch der außerordentlichen Kündigung. Weiterhin gilt auch hier das Recht zur Lossagung allein aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens und unabhängig von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Rz. 89
Versäumt der Arbeitgeber die Monatsfrist, so bleibt er trotz ansonsten wirksamer fristloser Vertragskündigung an die Wettbewerbsvereinbarung gebunden und muss Karenzentschädigung zahlen. Im Fall einer Wiederholungskündigung muss der Arbeitnehmer erkennen, dass der Arbeitgeber nicht nur an der Vertragsbeendigung, sondern auch an der Lösung von der Wettbewerbsvereinbarung festhalten will. Für diesen Fall hat das BAG (v. 19.5.1998 – 9 AZR 327/96, BB 1999, 215) entschieden, dass der Arbeitgeber sich nicht erneut i.S.v. § 75 Abs. 1 HGB vom Wettbewerbsverbot lossagen muss.
II. Arbeitgeberseitiger Verzicht nach § 75a HGB
Rz. 90
Eine weitere Möglichkeit für den Arbeitgeber, sich von der Wettbewerbsvereinbarung zu befreien, besteht darin, dass er einseitig auf das Wettbewerbsverbot verzichtet (§ 75a HGB). Dieser Verzicht kann nur schriftlich und vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ggü. dem Arbeitnehmer erklärt werden. Dann ist der Arbeitnehmer sofort nach Vertragsende frei. Der Arbeitgeber muss aber noch ein Jahr lang seit dem Zugang der Verzichtserklärung die Entschädigung zahlen (LAG Berlin-Brandenburg v. 15.12.2016 – 5 Sa 1620/16, BeckRS 2016, 115376), allerdings frühestens ab dem Zeitpunkt des Vertragsendes (BAG v. 31.7.2002 – 10 AZR 513/01, BB 2003, 106). Je früher der Arbeitgeber also den Verzicht erklärt, desto weniger Entschädigung muss er noch zahlen. Diese Möglichkeit ist insb. dann in Betracht zu ziehen, wenn sich das Wettbewerbsverbot als nicht mehr lohnend darstellt, oder sich das Arbeitsverhältnis anders entwickelt hat als zunächst angenommen.
III. Aufhebungsvertrag
Rz. 91
Schließen die Parteien einen Aufhebungsvertrag können die in § 75 Abs. 1 und Abs. 2 HGB fixierten Befreiungstatbestände analog Anwendung finden. Dies hängt davon ab, wer Anlass und Anstoß zur Vertragsaufhebung gegeben hat (BAG v. 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, DB 1977, 1143). Bei vertragswidrigem Verhalten des Arbeitnehmers kann sich der Arbeitgeber gem. § 75 Abs. 1 HGB analog lossagen. Hat der Arbeitnehmer keinen Grund in seiner Person geliefert, kann dieser sich gem. § 75 Abs. 2 HGB befreien, es sei denn, der Arbeitgeber hat eine erhöhte Karenzentschädigung angeboten. In diesem Fall muss das schriftliche Angebot erhöhter Entschädigung seitens des Arbeitgebers bei der Einigung über die Lösung des Arbeitsverhältnisses vorliegen, wenn er den Arbeitnehmer auf jeden Fall am Wettbewerbsverbot festhalten will (vgl. Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rn 569; krit. und näher dazu mit beachtli...