Rz. 45
Das Wettbewerbsverbot ist gem. § 74 Abs. 2 HGB unverbindlich, wenn sich der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbotes mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
Rz. 46
Das Wettbewerbsverbot ist ferner gem. § 74a Abs. 1 HGB unverbindlich,
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wenn es nicht dem Schutz der berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers dient und/oder das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers unbillig erschwert, Beispiel: Der Arbeitgeber verfolgt mit dem Wettbewerbsverbot das Ziel, jede Stärkung der Konkurrenz durch den Arbeitsplatzwechsel zu verhindern, ohne dass die Gefahr der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen oder des Einbruchs in den Kundenstamm zu besorgen ist (vgl. BAG v. 1.8.1995 – 9 AZR 884/93, NZA 1996, 310 in Weiterführung von BAG v. 24.6.1966 – 3 AZR 501/65, BB 1966, 1025 = DB 1966, 1360); |
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wenn es auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an erstreckt wird. |
Rz. 47
Die Verwendung der Begriffe "insoweit unverbindlich" und "soweit" qualifizieren § 74a Abs. 1 HGB als einen Fall der gesetzlich angeordneten geltungserhaltenden Reduktion (Preis, Der Arbeitsvertrag, S. 1603). Eine Verbotsdauer von mehr als zwei Jahren ist somit auf höchstens zwei Jahre zurückzuführen (BAG v. 19.5.1983 – 2 AZR 171/81, BB 1984, 533).
Rz. 48
Da § 74a HGB rechtshindernde Einwendungen enthält, obliegt die Darlegungs- und Beweislast grds. dem Arbeitnehmer (LAG Niedersachsen v. 16.7.2009 – 4 SaGa 697/09, NZA-RR 2010, 69).
Rz. 49
Die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbotes bedeutet Folgendes: Nur der Arbeitnehmer – nicht der Arbeitgeber (§ 75d S. 1 HGB) – hat ein Wahlrecht, ob er das Wettbewerbsverbot für sich gelten lassen will oder endgültig frei sein möchte. Entscheidet sich der Arbeitnehmer für die Geltung des Verbotes und hält er sich auch an dieses Verbot, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung für die Dauer des Verbotes zu zahlen. Beruft sich dagegen der Arbeitnehmer auf die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbotes, ist er frei. Dann braucht der Arbeitgeber auch keine Entschädigung zu zahlen (vgl. BAG v. 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, DB 1991, 709; BAG v. 24.4.1980 – 3 AZR 1047/77, BB 1980, 1376 = NJW 1980, 2429). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass ein solches Wahlrecht für einen Geschäftsführer einer GmbH von der Rspr. ausdrücklich abgelehnt wird, § 75d HGB findet hier keine Anwendung (BAG v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187). Einem unzulässigen Vorvertrag kommen die Wirkungen eines unverbindlichen Wettbewerbsverbots zu. Auch in diesem Fall kann daher der Arbeitnehmer zwischen Wettbewerbsfreiheit ohne Karenzentschädigung und Wettbewerbsenthaltung zu den Bedingungen des Vorvertrages wählen (BAG v. 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, NZA 2011, 417; BAG v. 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, NZG 2019, 635 Rn 33).
Rz. 50
Nach der st. Rspr. genügt es für die Ausübung des Wahlrechts, dass sich der Arbeitnehmer ohne weitere Erklärung für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entscheidet und seiner (vermeintlichen) Unterlassungsverpflichtung nachkommt (seit BAG v. 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP Nr. 60 zu § 74 HGB = NZA 1991, 263 f.; BAG v. 22.5.1990, BB 1991, 625 [BAG v. 22.5.1990 – 3 AZR 647/88]; zur Entwicklung der Rspr. vgl. Schaub/Vogelsang, ArbR-HdB, § 55 Rn 26, m.w.N.). Die Ausübung des Wahlrechts kann auch konkludent erfolgen, z.B. indem der Arbeitnehmer eine Konkurrenztätigkeit aufnimmt oder sich endgültig und erkennbar selbstständig gemacht hat (vgl. LAG Hamm v. 21.1.1981 – 15 Sa 1197/80, DB 1981, 1243; Schaub/Vogelsang, ArbR-HdB, § 55 Rn 26). Bei der Feststellung, ob und wann sich der Arbeitnehmer konkludent "endgültig" für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entschieden hat, ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus der Sicht eines verständigen Empfängers zu entscheiden. Der Arbeitgeber ist jedoch in den vorgenannten Fällen gem. § 264 Abs. 2 BGB analog berechtigt, den Arbeitnehmer unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Vornahme der Wahl aufzufordern, sodass mit Ablauf der Frist das Wahlrecht auf ihn übergeht (vgl. BAG v. 22.5.1990 –3 AZR 647/88, AP Nr. 60 zu § 74 HGB = NZA 1991, 263 f.). Als angemessene Frist wird ein Zeitraum von 3 Wochen erachtet (vgl. Bauer, NZA 1991, Beil. 3, 29 f.). Steht fest, dass sich der Arbeitnehmer für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entschieden hat, hat er einen Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung, auch in der vom Arbeitgeber gem. § 264 Abs. 2 BGB analog gesetzten Frist (vgl. dazu Wertheimer, JZ 1991, 882, 884).
Rz. 51
Häufig beschäftigen die Gerichte sog. bedingte Wettbewerbsvereinbarungen, in denen sich der Arbeitgeber einseitig die Entscheidung vorbehält, ob er später das Wettbewerbsverbot in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Hierfür finden sich häufig Formulierungen in Arbeitsverträgen wie "wenn das Unternehmen vom Wettbewerbsverbot Geb...