Rz. 92
Schließlich können die Parteien jederzeit das Wettbewerbsverbot einvernehmlich aufheben. Diese Vereinbarung sollte ausdrücklich und zu Beweiszwecken insb. schriftlich erfolgen. Jedoch reicht auch eine einvernehmliche mündliche Aufhebung aus (s. zu Schriftform Rdn 34).
Rz. 93
Bei Aufhebungsvereinbarungen zur einvernehmlichen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, sowie in gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen taucht häufig die Frage auf, ob mit dieser Vereinbarung automatisch auch das früher vereinbarte Wettbewerbsverbot für die Zeit nach dem Vertragsende aufgehoben wurde. Die übliche Klausel eines solchen Aufhebungsvertrages (Generalquittung) lautet: "Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche der Parteien gegeneinander aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt". Ein solcher genereller Ausschluss aller Vertragsansprüche könnte auch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und die Entschädigungspflicht umfassen.
Rz. 94
Die Rspr. hat die zitierte Generalklausel i.d.S. ausgelegt (vgl. BAG v. 10.5.1978 – 5 AZR 97/77, BB 1979, 109 = DB 1978, 2083; BAG v. 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, NZA 2004, 554; für gerichtlichen Vergleich: Hessisches LAG v. 25.4.2007 – 6 Sa 32/07, BeckRS 2007, 46627). Es wird ausgeführt, eine solche Ausgleichsklausel im Rahmen eines individuell ausgehandelten Aufhebungsvertrages habe den Zweck, das streitige Rechtsverhältnis abschließend zu regeln. Dieser Zweck werde nur erreicht, wenn alle Verpflichtungen, die nicht von der Klausel erfasst werden sollten, ausdrücklich und unmissverständlich im Vergleich selbst bezeichnet würden. Eine Ausnahme kann es nur für Ansprüche auf betriebliches Ruhegeld und möglicherweise für Zeugnisansprüche geben, denn solche Ansprüche entzögen sich wegen ihrer Bedeutung für den Arbeitnehmer im Regelfall dem Geltungsbereich einer allgemeinen Ausgleichsklausel. Der Arbeitgeber könne nicht damit rechnen, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen einer allgemeinen Ausgleichsklausel eher beiläufig ohne besonderen Anlass auf seine Altersversorgung, vielleicht auch auf ein Zeugnis verzichte. Bei der Aufhebung eines Wettbewerbsverbotes liege aber kein einseitiger Verzicht des Arbeitnehmers vor. Dieser verliere zwar seinen Anspruch auf Zahlung von Karenzentschädigung, gewinne aber gleichzeitig die freie Verfügbarkeit über seine Arbeitskraft wieder, die ihm zuvor als Abweichung von der selbstverständlich bestehenden Freiheit der Berufsausübung gegen Zahlung einer Karenzentschädigung abgekauft worden sei.
Rz. 95
Die zitierten Entscheidungen machen jedoch deutlich, dass sich jede "schematische" Betrachtungsweise verbietet und sich aus den Begleitumständen etwas anderes ergeben kann. So basierte die vorstehend erläuterte Wertung des BAG u.a. auf der Tatsache, dass die Parteien ohne jede Zeitnot und beide anwaltlich vertreten einen sehr detailreichen Vergleich mit 17 Einzelklauseln ausgehandelt hatten, ohne dabei das Wettbewerbsverbot zu erwähnen. Daher könne die Generalklausel als "Auffangbecken" für solche Ansprüche gelten, die nicht bereits in den einzelnen Ziffern eines Vergleiches einer besonderen Regelung zugeführt worden seien. In einem ähnlichen Fall erfasste laut dem BAG die Klausel ("Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig welchen Rechtsgrundes, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt") in einem Aufhebungsvertrag ein im Arbeitsvertrag vereinbartes Wettbewerbsverbot, wenn die Parteien des Aufhebungsvertrages – wie im Fall geschehen – eine Vielzahl von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis von der Ausgleichsklausel ausnehmen und für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und den Anspruch auf Karenzentschädigung von einer solchen Ausnahme absehen (BAG v. 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, NJW 2009, 3532). In diesem Zusammenhang ist auch ein Urteil des LAG Baden-Württemberg herauszustellen. Danach folgt aus der einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses per Aufhebungsvertrag (nebst Generalklausel) "nicht ohne weiteres" auch die Aufhebung eines vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 22.9.1995 – 5 Sa 28/95, NZA-RR 1996, 163 "Umstände, die gleichwohl eine Auslegung des Aufhebungsvertrages dahin gehend rechtfertigen könnten, dass durch diesen gleichzeitig auch die Wettbewerbsvereinbarung aufgehoben werden soll, sind nicht gegeben"; vgl. zum Urteil näher Wertheimer, NZA 1997, 522, 523). Unter Umständen hat die Bewertung einer Generalquittung bezogen auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote auch dann anders zu erfolgen, wenn die entsprechende Erledigungsklausel nicht den oben zitierten Zusatz "… und seiner/dessen Beendigung" enthält; denn die angeführten Entscheidungen, die im Rahmen von Aufhebungsverträgen den generellen Ausschluss aller Vertragsansprüche (inklusive derer aus dem Wettbewerbsverbot) bejahten (s.o.), hatten sämtlichst über eine Generalklausel mit dem oben genannten Zusatz oder einem solchen mit ähnlichem Inhalt zu entscheid...