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Anspruchsverpflichtet sind zunächst einmal die Verfasser, Verlage und Sendeanstalten. Diese haften als Unternehmen grundsätzlich für alle zivilrechtlichen Folgen ihrer Äußerungen. Der Verleger bzw. in Unternehmen ein Mitarbeiter mit Organstellung hat eine eigene Verpflichtung zur Überprüfung der zur Veröffentlichung oder Ausstrahlung vorgesehenen Beiträge auf inhaltliche Richtigkeit und rechtliche Unbedenklichkeit. Ein Entlastungsbeweis nach § 831 BGB wird nur in seltenen Fällen möglich sein. Weiterhin sind neben den Verlagsunternehmen im Einzelfall der Chefredakteur, der Redakteur oder der verantwortliche Redakteur, sofern diese an den rechtswidrigen Äußerungen mitgewirkt haben bzw. den Artikel ausdrücklich freigegeben haben, passivlegitimiert.
Zwingende Voraussetzung für die Festsetzung von Ordnungsmitteln ist deren vorherige Androhung (vgl. § 890 Abs. 2 ZPO). Die Androhung erfolgt auf Antrag des Gläubigers. Sie kann – und sollte – mit dem Unterlassungsantrag verbunden werden. Stellt der Antragsteller keinen Antrag auf vorherige Androhung, wird diese keineswegs von Amts wegen mit in den Entscheidungstenor aufgenommen. Die Folge ist, dass der Verletzer einen "Freischuss" hat, da eine Vollstreckung gegen ihn erst nach zuvor erfolgter Androhung, die der Gläubiger in diesem Fall noch gesondert beantragen muss, stattfinden kann (näher zu der Notwendigkeit einer Androhung und ihren Einzelheiten vgl. § 55 Rdn 47).
Verfügungen sind im Parteibetrieb innerhalb der Frist des § 929 ZPO zuzustellen (siehe zur Zustellung auch § 55 Rdn 70 ff.).
Der Unterlassungsantrag wird in der Regel auf das Verbot der (weiteren) Verbreitung unwahrer Tatsachen gerichtet sein. In Ausnahmefällen kann auch das Veröffentlichen wahrer Tatsachen oder aber von Meinungsäußerungen angegriffen werden:
Die Verbreitung unwahrer Tatsachen nimmt am Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG regelmäßig nicht teil, es sei denn, die Unwahrheit war nicht erkennbar oder die Presse kann sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen (siehe § 193 StGB). In allen anderen Fällen besteht eine faktische Vermutung der Unzulässigkeit. Der Betroffene muss aber gleichwohl ein berechtigtes Interesse an der Unterlassung haben. Äußerungen, die den Betroffenen nicht in seiner Sozialsphäre tangieren, sind daher auch dann nicht unterlassungsfähig, wenn sie unwahr sind.
Umgekehrt können wahre Tatsachenbehauptungen dann erfolgreich angegriffen werden, wenn dadurch ein Persönlichkeitsschaden entsteht, der in keinem Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Hier gibt es ein dreigestuftes System: Berichte aus der Intimsphäre, also dem engsten Bereich der Persönlichkeit des Menschen, dürfen nicht veröffentlicht werden, auch wenn sie zutreffen. Krankheiten oder Vorgänge aus dem Sexualbereich sind daher "tabu", es sei denn – was überraschend häufig vorkommt –, dass der Betroffene sie selbst zu einem Gegenstand der öffentlichen Debatte macht. Nach der Intimsphäre folgt die Privatsphäre. Diese betrifft die private Lebensführung. Bei einer Berichterstattung über Ereignisse aus der Privatsphäre findet eine Abwägung dahingehend statt, ob die Belange des Betroffenen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen. Prominente, die häufig selbst Einblicke in ihre Lebenssituation geben, müssen hier allerdings regelmäßig weitergehende Berichte hinnehmen als außerhalb der Öffentlichkeit stehende Bürger. Meist zulässig sind schließlich Berichte aus der Sozialsphäre. Wer selbst die Öffentlichkeit wählt, muss hinnehmen, Gegenstand medialer Aufmerksamkeit zu werden.
Zu beachten ist auch, dass Text- und Bildbeiträge unterschiedlich bewertet werden. Bildbeiträge begründen nach der Rechtsprechung einen ungleich stärkeren Eingriff in die rechtliche Sphäre des Betroffenen, weshalb hier bei Bildern aus der Sozial- und Privatsphäre eine größere Rechtfertigungsanforderung besteht als bei Wortberichten.
Im Ausgangsfall könnte man darüber nachdenken, ob die "Prangerwirkung" der öffentlichen Verteilung von Flugblättern nicht eine Persönlichkeitsverletzung begründet, die dem Schutzbereich der Pressefreiheit vorgeht. Im Ergebnis wäre dies aber wohl abzulehnen, da A provokante Thesen aufgestellt hat, die dementsprechend kritisch hinterfragt werden dürfen.
Meinungsäußerungen unterliegen regelmäßig der Pressefreiheit. Die Grenze ist dann zu ziehen, wenn die Absicht zu verletzen die Absicht zur Äußerung der eigenen Meinung übersteigt. Dies ist regelmäßig bei diskreditierenden Äußerungen ohne sachlichen Anknüpfungspunkt der Fall. In diesem Fall spricht man von Schmähkritik, die dann auch strafrechtlich relevant wird (§§ 185, 186 StGB). Wann eine Schmähkritik vorliegt, ist kontextbezogen zu prüfen. Gibt es einen sachlichen Bezugspunkt, kann auch eine drastische Äußerung zulässig sein. Der im Ausgangsfall angesprochene Boykottaufruf ist, wenn er ideelle Zwecke verfolgt, grundsätzlich zulässig. Sofern aber wi...