I. Gegendarstellung
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 1
Die X-GmbH verlegt u.a. die Wirtschaftszeitung "W". In einer Ausgabe erfolgt eine Reportage über die Hintergründe der Insolvenz des Unternehmens U. Den Lesern wird mitgeteilt, der Vorstandsvorsitzende V habe ein für die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse unangemessen hohes Gehalt bezogen. Gespräche mit einem US-amerikanischen Investor seien von ihm "torpediert" worden. Zudem habe er auch Mitarbeitern gegenüber einen rüden Umgangston. So habe er die Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat einmal als "Quotenkuh" bezeichnet. Seinem Stellvertreter habe er die wichtigen Ressorts "Finanzen" und "Human Development" entzogen und an seine Zuständigkeit angehängt. Während der Tätigkeit von V habe das Unternehmen U ständig schlechtere Zahlen geschrieben und zuletzt einen Verlust von 1,3 Mio. EUR ausgewiesen.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 2
Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht eines jeden, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Art. 2 Abs. 1 GG verbürgt demgegenüber das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung. In diesem Spannungsfeld zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Rundfunk- und Pressefreiheit ist der Gegendarstellungsanspruch angesiedelt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gegendarstellungsanspruch Teil eines durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechts auf Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen Person. Die Gegendarstellung setzt daher die Rechtswidrigkeit der in Frage stehenden Veröffentlichung nicht voraus.
Rz. 3
Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Relevanz des Gegendarstellungsanspruchs sehen – mit Abweichungen nur im Detail – sämtliche Landespressegesetze eine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen Betroffener vor. Daneben finden sich Gegendarstellungsbestimmungen in den Rundfunkgesetzen sowie den Rundfunkstaatsverträgen (vgl. bspw. Art. 56 RStV, Art. 9 ZDF-Staatsvertrag oder § 9 WDR-Gesetz).
Rz. 4
Inhaber eines Gegendarstellungsanspruchs ist jede Person oder Stelle, die von einer Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne dass die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung Anspruchsvoraussetzung ist. Daraus folgt die einhellige gerichtliche Praxis, dass der Gegendarstellungsanspruch im Prinzip jedem zusteht, der die Unrichtigkeit einer ihn betreffenden veröffentlichten Tatsache auch nur behauptet. Unter einer "Person" sind in diesem Zusammenhang nicht nur natürliche Personen, sondern auch solche Vereinigungen juristischer oder natürlicher Personen zu verstehen, die jedenfalls partiell rechtsfähig sind und vor Gericht klagen oder verklagt werden können. Bejaht wurde eine Anspruchsberechtigung bspw. für Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Vereine, Parteien, Ministerien oder sonstige Behörden, Gesetzgebungsorgane sowie Unternehmen. Die namentliche Nennung des Betroffenen ist nicht erforderlich; eine Identifizierbarkeit genügt.
Rz. 5
Anspruchverpflichtete sind nach den Presse- und Mediengesetzen der verantwortliche Redakteur, der Verleger (siehe z.B. § 11 PresseG NW) bzw. der "Veranstalter" (§ 18 Abs. 1 LRG NW), aber auch Telemedien (Art. 56 RStV).
Gegendarstellungsfähig sind ausweislich der Landesrundfunk- und Pressegesetze nur Tatsachenbehauptungen. Unter dem Behaupten von Tatsachen versteht die Rechtsprechung die Darstellung eines bestimmten Tatbestandes als Gegenstand eigener Feststellung oder Überzeugung. Tatsachen müssen im Gegensatz zu bloßen Meinungsäußerungen auf ihre Richtigkeit hin objektiv, mit den Mitteln der Beweiserhebung überprüfbar sein. Entscheidend ist somit, ob der unbefangene durchschnittliche Leser oder Hörer einer Äußerung ihr einen im Wege der Beweiserhebung auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfbaren Sachverhalt entnimmt. Keine Tatsachen sind daher Meinungen, Werturteile, Polemik, Schmähkritik, Rechtsauffassungen oder Prognosen. Die Abgrenzung ist häufig schwierig, wenn es sich um mehrdeutige Äußerungen handelt, die subjektive und objektive Elemente aufweisen. Im Beispielsfall ist die Angabe, V habe ein "unangemessen hohes Gehalt bezogen" eine Meinungsäußerung. Gleiches gilt für die Angabe, Investorengespräche "torpediert" und einen "rüden Umgangston" zu haben. Hingegen stellt ein dem V zugeschriebenes Zitat eine Tatsachenbehauptung dar, ebenso wie der Hinweis auf den Entzug von Ressorts und die Angaben zu Unternehmensdaten. Generell richtet sich die Beurteilung danach, welches Element überwiegt, wobei im Sinne der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit der Tatsachengehalt überwiegen muss. Kritik stellt demgemäß – auch in stark überzeichneter Form – eine Meinungsäußerung dar, selbst wenn sie einen Tatsachenkern enthält, und ist daher regelmäßig hinzunehmen.
Die bloße "Verbreitung" einer Tatsachenbehauptung ist für einen Gegendarstellungsanspruch ausreichend (vgl. den Wortlaut des § 9 WDRG "In seiner Sendung verbreitete Tatsachenbehauptung"). Sobald die Tatsachenbehauptung allgemein zugänglich gemacht wird, entsteht der Gegendarstellungs...