I. Schutzschrift
Rz. 30
Siehe dazu § 55 Rdn 59 ff.
II. Einstweilige Verfügung
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 31
Die Organisation "Menschlichkeit" verteilt in der Fußgängerzone von F Flugblätter. Dort wird dem namentlich genannten Arzt A vorgeworfen, er habe sich auf einer Podiumsdiskussion öffentlich dazu bekannt, die Präimplantationsdiagnostik künftig dafür zu nutzen, Embryonen mit "hochgradiger Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen auszusortieren". Die Folgekosten der Behandlung Behinderter seien "gigantisch". Das Geld würde besser in die Frühförderung gesunder, aber sozial benachteiligter Kinder gesteckt.
Die Organisation "Menschlichkeit" fordert in dem Flugblatt dazu auf, A’s Praxis zu boykottieren.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 32
In presserechtlichen Auseinandersetzungen ist es regelmäßig das Anliegen des Betroffenen, ein Verbot bestimmter Äußerungen in Bezug auf seine Person zu erwirken, solange mit deren tatsächlicher Wiederholung – bspw. aufgrund eines akuten Skandals – gerechnet werden kann. Zwar liegt eine Wiederholungsgefahr im Rechtssinne schon dann vor, wenn ein Eingriff einmal stattgefunden hat bzw. im Falle einer Erstbegehung nachweislich unmittelbar bevorsteht. Ein tatsächliches Interesse an der Wiederholung einer Äußerung wird nach der Durchführung eines langjährigen Hauptsacheverfahrens, das möglicherweise über mehrere Instanzen geführt wird, jedoch regelmäßig nicht mehr bestehen. Dem Betroffenen wird es daher meistens darum gehen, bestimmte Äußerungen sofort unterbinden zu können (näher zum Unterlassungsantrag siehe Rdn 45).
Rz. 33
Eine einstweilige Verfügung stellt eine vorübergehende Anordnung von Maßnahmen dar, die dazu dienen, den Rechtsfrieden bis zur endgültigen Entscheidung des streitigen Rechtsverhältnisses zu sichern. Nach ganz überwiegender Auffassung sind daher Widerrufsansprüche nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbar, da durch den Widerruf gleichzeitig die Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen würde.
Das Verfügungsverfahren folgt im Übrigen den allgemeinen Regeln. Dies bedeutet, dass nur mit präsenten Beweismitteln (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO) gearbeitet werden kann. Eine Revision ist nicht möglich (§ 545 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Dringlichkeitsfrist (je nach OLG-Bezirk zwischen 4 Wochen und 6 Monaten ab Kenntnis) ist zu beachten. Näher zu den Anforderungen im Verfügungsverfahren im Kapitel Wettbewerbsrecht (siehe § 55 Rdn 39 ff.).
Rz. 34
Gem. § 937 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 802 ZPO ist für den Erlass einstweiliger Verfügungen das Gericht der Hauptsache zuständig. Ist noch keine Hauptsache anhängig (Regelfall), ist der Verfügungsantrag bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Hauptsacheklage erhoben worden wäre. Aufgrund des § 32 ZPO bestehen hier erhebliche Wahlmöglichkeiten des Betroffenen:
Anders als bei einer Gegendarstellung (siehe Rdn 1 ff.) kann eine einstweilige Verfügung – wie auch eine Klage – gerichtet auf Unterlassung am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) erhoben werden. Grundsätzlich ist daher jedes Gericht zuständig, an dem eine Äußerung bestimmungsgemäß verbreitet wird. Dies führt zu dem "fliegenden Gerichtsstand der Presse".
Sachlich zuständig sind aufgrund der in Äußerungsrechtsstreiten häufig höheren Streitwerte regelmäßig die Landgerichte, ansonsten die Amtsgerichte. An einigen (größeren) Landgerichten gibt es Spezialkammern für Presserecht.
Rz. 35
Gemäß den §§ 920 Abs. 3, 936, 78 Abs. 3 ZPO besteht im Verfügungsverfahren auch vor den Landgerichten kein Anwaltszwang. Dieses gilt allerdings nur so lange, als das Gericht keinen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Die Vorlage einer Vollmacht ist entbehrlich, wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt, § 88 Abs. 2 ZPO.
Der Streitwert im Unterlassungsverfahren orientiert sich am Einzelfall. Dabei sind die Größe des Empfängerkreises (Auflage, Verbreitung, Erscheinungsweise), die Stellung des Betroffenen, die Erheblichkeit des Eingriffs, Umfang und Bedeutung der inkriminierten Äußerung usw. zu berücksichtigen.
3. Anspruchsverpflichteter
Rz. 36
Anspruchsverpflichtet sind zunächst einmal die Verfasser, Verlage und Sendeanstalten. Diese haften als Unternehmen grundsätzlich für alle zivilrechtlichen Folgen ihrer Äußerungen. Der Verleger bzw. in Unternehmen ein Mitarbeiter mit Organstellung hat eine eigene Verpflichtung zur Überprüfung der zur Veröffentlichung oder Ausstrahlung vorgesehenen Beiträge auf inhaltliche Richtigkeit und rechtliche Unbedenklichkeit. Ein Entlastungsbeweis nach § 831 BGB wird nur in seltenen Fällen möglich sein. Weiterhin sind neben den Verlagsunternehmen im Einzelfall der Chefredakteur, der Redakteur oder der verantwortliche Redakteur, sofern diese an den rechtswidrigen Äußerungen mitgewirkt haben bzw. den Artikel ausdrücklich freigegeben haben, passivlegitimiert.
Zwingende Voraussetzung für die Festsetzung v...