1. Allgemeines
Rz. 69
Der Verfahrensverstoß muss bestimmt behauptet und nicht nur als möglich bezeichnet werden, anderenfalls ist die Rüge unzulässig (OLG Hamm DAR 2011, 107).
An die Begründung der Verfahrensrüge werden strenge Anforderungen gestellt (OLG Zweibrücken DAR 2014, 42; OLG Braunschweig zfs 2014, 473; OLG Koblenz zfs 2014, 530).
Rz. 70
Hierzu ist zunächst einmal eine eingehende, auch negative Tatsachen einschließende Schilderung des Verfahrensganges erforderlich (BGH NStZ 2007, 117; 2007, 234). So muss der Betroffene z.B. bei der Rüge, es sei unzulässig im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG entschieden worden, auch behaupten, sein Widerspruch sei rechtzeitig bei Gericht eingegangen bzw. die gerichtliche Anfrage habe ihn nicht erreicht (OLG Koblenz NZV 1991, 441), während er beispielsweise bei einer Aufklärungsrüge zusätzlich noch dartun muss, welche Umstände das Gericht hätten veranlassen müssen, von einem bestimmten Beweismittel zur Klärung einer Sachfrage Gebrauch zu machen (BGHSt 23, 176).
Rz. 71
§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO und § 79 Abs. 3 Nr. 1 OWiG verlangen von dem Beschwerdeführer eine so genaue und vollständige Bezeichnung der den Mangel enthaltenen Tatsachen, dass das Beschwerdegericht ohne Rückgriff auf die Akten allein schon anhand der Beschwerdeschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, falls die behaupteten Tatsachen zutreffen (OLG Karlsruhe VRS 81, 43; OLG Hamm DAR 2004, 662; OLG Bamberg NZV 2012, 148).
Rz. 72
Im Falle der Aufklärungsrüge muss er zusätzlich dartun, welche Umstände das Gericht hätten veranlassen müssen, von einem bestimmten Beweismittel zur Klärung einer Sachfrage Gebrauch zu machen (BGHSt 23, 176; KG DAR 2019, 391; OLG Köln DAR 2019, 399).
Rz. 73
Achtung: Akteninhalt ersetzt nicht Vortrag
Wurde die Verfahrensrüge nicht in der vorgeschriebenen Form ausgeführt, ist ein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde selbst dann als unzulässig zu verwerfen, wenn sich aus der Akte ergeben sollte, dass das rechtliche Gehör tatsächlich verletzt worden ist (KG VRS 83, 428).
2. Weitere Beispiele
a) Unterbliebene Ladung des Verteidigers
Rz. 74
Auch hier muss der Beschwerdeführer umfassend vortragen (OLG Celle NZV 2012, 351), so z.B. dass die Wahl des Verteidigers dem Gericht rechtzeitig angezeigt worden war (OLG Hamm StraFo 1998, 234).
b) Beschlussverfahren
Rz. 75
Es genügt nicht die bloße Rüge, das Gericht habe – ohne dem Betroffenen oder seinem Verteidiger Gelegenheit zum Widerspruch zu geben – entschieden; auch nicht die Behauptung, der Hinweis sei unvollständig bzw. fehlerhaft gewesen. Es muss vielmehr in einer § 344 Abs. 2 StPO genügenden Form geltend gemacht werden, dass der Betroffene einen den Anforderungen des § 72 Abs. 1 S. 2 OWiG genügenden Hinweis nicht erhalten habe (OLG Düsseldorf DAR 1999, 129).
c) Trotz Entschuldigung
Rz. 76
Selbst wenn der Betroffene tatsächlich entschuldigt war (hier z.B. ein Inhaftierter), zwingt nur die formell korrekt begründete Rüge zur Zulassung. Ist sie dagegen nicht ausreichend begründet, ist selbst die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unzulässig (OLG Düsseldorf DAR 2000, 81).
d) Einspruchsverwerfung nach Ablehnung des Entbindungsantrages
aa) Unzulässige Angriffe gegen die Verurteilung als solche
Rz. 77
Macht der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde lediglich geltend, der im Bußgeldbescheid erhobene Vorwurf sei falsch, ist bereits der Antrag unzulässig (OLG Jena DAR 1997, 411), denn mit der Rechtsbeschwerde kann nicht die Verurteilung als solche angegriffen werden. Der Beschwerdeführer kann vielmehr nur geltend machen, die Einspruchsverwerfung selbst sei unzulässig gewesen (OLG Hamm NZV 2008, 212).
bb) Darlegungspflicht
Rz. 78
Hier muss der Beschwerdebegründung zu entnehmen sein, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Entbindung vorlagen, d.h., der Beschwerdebegründung müssen der gemachte Vorwurf und die Beweismittel ebenso wie die Tatsache zu entnehmen sein, ob der Betroffene sich geäußert oder sein Schweigen in der Hauptverhandlung angekündigt hat (OLG Zweibrücken zfs 2000, 39; Thür. OLG zfs 2000, 44; OLG Hamm zfs 2000, 45). Außerdem obliegt es dem Betroffenen darzulegen, aus welchen Gründen das Gericht seinem Entbindungsantrag gem. § 73 Abs. 2 OWiG hätte stattgeben müssen (OLG Hamm zfs 2004, 591; zfs 2006, 710; OLG Naumburg zfs 2007, 533), bzw. weshalb von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung kein Beitrag zur Sachaufklärung zu erwarten war (OLG Thüringen VRS 111, 56). Darüber hinaus muss dann, wenn ein Verteidiger den Entbindungsantrag gestellt hatte, vorgetragen werden, dass er Vertretungsvollmacht hatte und diese im Zeitpunkt der Antragstellung dem Gericht schriftlich vorgelegen hatte (OLG Köln zfs 2002, 154; BayObLG NZV 2001, 221; OLG Bamberg NStZ 2007, 180).
cc) Terminsverlegungsantrag
Rz. 79
Eine Rechtsbeschwerde, die darauf gestützt wird, dass ein wegen Verhinderung des Betroffenen oder des Verteidigers gestellter Verlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt wurde, muss umfassend begründet werden (OLG Hamm NZV 2006, 165; OLG Karlsruhe NZV 2011, 95; OLG Oldenburg NZV 2011, 96; OLG Bamberg NZV 2012, 148).
Zur Frage, wann ein Terminsverlegungsantrag, der auf die Verhinderung des Betroffenen aus beruflichen Gründen gestützt wird, ausreichend begründet wurde: OLG Hamm NZV 2006, 165.
dd) Verletzung rechtlichen Gehörs
Rz. 80
Wird die Verletzung des rechtli...