1. Vorverfahren
Rz. 88
Über die Zulassung selbst und die Begründetheit der Rechtsbeschwerde entscheidet ausschließlich das Oberlandesgericht. Dabei sind die Bußgeldsenate mit lediglich einem Richter besetzt, wenn eine Geldbuße von nicht mehr als 5.000 EUR festgesetzt oder beantragt worden ist (§ 80a Abs. 2 Nr. 1 OWiG) oder es sich um eine Zulassungsrechtsbeschwerde handelt (§ 80a Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Ist es allerdings geboten, das Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen, soll der Richter auf jeden Fall die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (80a Abs. 3 OWiG).
Nach Auffassung des BGH (bei Tepperwien, DAR 2005, 259) hat nach der neuen Rechtslage der Einzelrichter aber auch in diesen Fällen allein in der Sache zu entscheiden, da nach dem Willen des Gesetzgebers der Senat nur noch bei zulassungsfreien und zugelassenen Rechtsbeschwerden für Fälle, in denen die Überprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, in Dreierbesetzung zu entscheiden hat.
Rz. 89
Hatte der BGH (zfs 1998, 401) die früher umstrittene Frage, ob der Einzelrichter auch im Falle der Anfechtung eines Fahrverbotes entscheiden könne, noch dahingehend entschieden, dass darüber nur der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheiden könne, ist dies durch die seit 1.9.2004 im Rahmen des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004 (BGBl I, S. 2198) erfolgte Änderung des § 80a OWiG überholt. Jetzt ist grundsätzlich der Einzelrichter auch bei Fahrverboten alleine zur Entscheidung berufen.
Rz. 90
Vor seiner Entscheidung gibt der Senat der Generalstaatsanwaltschaft Gelegenheit zu einer Gegenerklärung. Die Auffassung, dass die Gegenerklärung dem Betroffenen grundsätzlich bekannt gegeben werden müsste, wird nur von einer Mindermeinung vertreten. Unbestritten ist dies jedoch dann erforderlich, wenn die Gegenerklärung neue Tatsachen oder dienstliche Ausführungen zu Verfahrensrügen enthält (BVerfGE 7, 725).
2. Entscheidung
Rz. 91
I.d.R. entscheidet das Beschwerdegericht durch Beschluss (§ 79 Abs. 4 OWiG). Im Falle einer Rechtsbeschwerde gem. § 79 OWiG muss der Beschluss begründet werden, wenn die Staatsanwaltschaft nicht beantragt hat, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
Rz. 92
Dagegen braucht ein den Zulassungsantrag (§ 80 Abs. 1 OWiG) verwerfender Beschluss – unabhängig vom Antrag der Staatsanwaltschaft – jetzt nicht mehr begründet zu werden (§ 80 Abs. 4 S. 3 OWiG).
Rz. 93
Ist die Rechtsbeschwerde dagegen begründet, hebt das Oberlandesgericht das Urteil auf. In den meisten Fällen verweist es die Sache an das Amtsgericht zurück, und zwar regelmäßig an den Richter, der die aufgehobene Entscheidung gefällt hat. Das ist in Bußgeldsachen zulässig (BayObLG VRS 57, 206), allerdings regelmäßig dann nicht angesagt, wenn der Amtsrichter wiederholt gegen die Auffassung des OLG entscheidet (OLG Stuttgart zfs 2007, 654).
Rz. 94
Anstatt zurückzuverweisen, kann das Revisionsgericht in der Sache selbst entscheiden, es kann sogar auf ein Fahrverbot durchentscheiden (OLG Bamberg NZV 2011, 208).
Eine Entscheidung in der Sache ist ihm allerdings dann verwehrt, wenn die im Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht ausreichen, denn Tatsachenfeststellungen kann der Bußgeldsenat nicht treffen, da er andernfalls gegen die Garantie des gesetzlichen Richters verstieße (BVerfG NZV 1995, 285).
3. "reformatio in peius"
Rz. 95
Nach einer erfolgreichen Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 S. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG) zu beachten. Wird jedoch lediglich der Schuldspruch geändert, greift das Verschlechterungsverbot nicht (OLG Karlsruhe zfs 2011, 231; OLG Koblenz zfs 2014, 530). Entgegen OLG Karlsruhe (NZV 2012, 95) gilt das Verschlechterungsverbot allerdings dann nicht, wenn das vom Rechtsbeschwerdegericht aufgehobene Urteil im Vergleich zum ursprünglichen Bußgeldbescheid für den Betroffenen günstiger war, der Einspruch nach Rückverweisung aber gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen wurde (BGH DAR 2012, 590).