Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 454
Ausgangspunkt der juristischen Diskussion zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz im Bereich der betrieblichen Altersversorgung war neben verschiedenen Entscheidungen zur Einbeziehung von Teilzeitbeschäftigten (EuGH v. 13.5.1986 – Rs. 170/84 – Bilka, NJW 1986, 3020; BAG v. 6.4.1982 – 3 AZR 134/79, NJW 1982, 2013; BAG v. 14.10.1986 – 3 AZR 66/83, NZA 1987, 445; BAG v. 14.3.1989 – 3 AZR 490/87, NZA 1990, 25; BAG v. 23.1.1990 – 3 AZR58/88, NZA 1990, 778) insb. das sog. "Witwerrenten-Urteil" des BAG (5.9.1989 – 3 AZR 575/88, NZA 1990, 271). Alle diese Entscheidungen – also sowohl die nationalen, auf Art. 3 GG beruhenden BAG-Urteile, als auch die aus Art. 119 EGV a.F. abgeleiteten Entscheidungen des EuGH – gehen von dem Gedanken aus, dass dem Arbeitgeber die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Lohngestaltung verboten ist.
Rz. 455
BAG und EuGH haben zudem in st. Rspr. den Entgeltcharakter betrieblicher Versorgungsleistungen betont und bestätigt (vgl. u.a. BAG v. 10.3.1972 – 3 AZR 278/71, BB 1972, 1005; EuGH v. 13.5.1986 – Rs. 170/84 – Bilka, NJW 1986, 3020; EuGH v. 17.5.1990 – Rs. C-262/88 – Barber, NZA 1990, 771). Damit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Gewährung betrieblicher Versorgungsleistungen stets zu berücksichtigen.
Rz. 456
Inhaltlich wird der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz vom Grundsatz der Gleichberechtigung (Art. 3 Abs. 2 GG) und vom Benachteiligungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG) geprägt (so bereits BAG v. 11.9.1974 – 5 AZR 567/73, DB 1975, 551).
Rz. 457
Führt ein Arbeitgeber freiwillige Zulagen, insb. betriebliche Versorgungsleistungen, ein, so muss er also die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass sie nicht sachwidrig oder willkürlich einen Teil der Arbeitnehmer von diesen Leistungen ausschließen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es dem Arbeitgeber untersagt ist, seine Arbeitnehmer in mehrere, objektiv abgrenzbare Gruppen einzuteilen und entweder nur einigen der Gruppen Versorgungsleistungen zu gewähren oder aber die Versorgungsleistungen innerhalb der Gruppenkonstruktion zu differenzieren. Der Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert lediglich, dass die Entscheidung sachlich gerechtfertigt ist. Der Arbeitgeber kann somit z.B. die Stellung im Unternehmen und/oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit als Abgrenzungskriterien für die Gewährung und Bemessung betrieblicher Versorgungsleistungen berücksichtigen (Doetsch, BetrAV 1997, 25 f.; Langohr-Plato, MDR 1992, 838; ders., MDR 1995, 649).
Rz. 458
Der oder die Zwecke, die eine unterschiedliche Behandlung bei der Gewährung betrieblicher Versorgungsleistungen rechtfertigen sollen, müssen unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit sowie der Transparenz des innerbetrieblichen Lohngefüges aus der Versorgungsordnung erkennbar sein (Doetsch, BetrAV 1997, 26). Ist der Grund der Differenzierung nicht ohne Weiteres aus der Versorgungsordnung nachvollziehbar, so muss ihn der Arbeitgeber spätestens dann offenlegen, wenn ein bei der Leistungsgewährung benachteiligter Mitarbeiter Gleichbehandlung verlangt (BAG v. 20.7.1993 – 3 AZR 52/93, NZA 1994, 125).
Rz. 459
Als eine der zentralen Grundregeln des europäischen Gemeinschaftsrechtes eröffnet zudem Art. 141 EGV (Art. 141 EGV ist i.R.d. Vertrags von Amsterdam v. 2.10.1997 aus Art. 119 EGV a.F. übernommen worden. Der neue Art. 141 EGV ist im Wesentlichen inhaltsgleich zu Art. 119 EGV a.F.) den Arbeitnehmern als unmittelbar geltende Gemeinschaftsnorm ein subjektives Recht auf gleichen Lohn bei gleicher Arbeit, das vor den nationalen Rechten einklagbar ist (Borchardt, BetrAV 1993, 4; Langohr-Plato, MDR 1994, 19).
Rz. 460
Ursprünglich unbekannt war dem deutschen Arbeitsrecht die aus Art. 119 EGV a.F. abgeleitete sog. "mittelbare Diskriminierung", die z.B. dann vorliegt,
▪ |
wenn die betreffende Regelung oder Maßnahme zwar unterschiedslos auf Männer oder Frauen anzuwenden ist, diese aber für das eine oder andere Geschlecht wesentlich nachteiligere Wirkungen entfaltet, und |
▪ |
wenn diese nachteiligen Wirkungen auf dem Geschlecht oder der Geschlechtsrolle beruhen (vgl. EuGH v. 13.5.1986 – Rs. 170/84 – Bilka, NJW 1986, 3020; Langohr-Plato, MDR 1995, 650). |
Rz. 461
Das in Art. 141 EGV normierte Diskriminierungsverbot kann also auch bei einer geschlechtsneutral formulierten Versorgungsregelung verletzt sein, wenn in ihrer faktischen Anwendung Angehörige des einen Geschlechtes ggü. denen des anderen Geschlechtes wesentlich benachteiligt werden (Langohr-Plato, MDR 1992, 838).
Rz. 462
Liegt ein solcher Tatbestand vor, wird die Diskriminierung widerlegbar vermutet. Der Arbeitgeber ist dann gezwungen, die diskriminierende Maßnahme durch objektive Gründe zu rechtfertigen (BAG v. 23.2.1992 – 4 AZR 30/92, BB 1993, 650). Dabei ist eine unterschiedliche geschlechterbezogene Lohngestaltung nur dann objektiv gerechtfertigt, wenn die unterschiedliche Behandlung einem realen Bedürfnis des Arbeitgebers dient, für die Erreichung der unternehmerischen Ziele geeignet und nach dem Verhältnismäßigkeits...