Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 370
Grds. ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 16 BetrAVG nur auf die wirtschaftliche Lage des konkret zur Anpassungsprüfung verpflichteten Arbeitgebers abzustellen, also des ehemaligen Arbeitgebers, mit dem der Rentner seinen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte (BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362). Dies ist das einzelne Konzernunternehmen und nicht etwa der Konzern insgesamt oder ein den ehemaligen Arbeitgeber beherrschendes Konzernunternehmen. Die Konzernverbindung allein beeinflusst weder die Selbstständigkeit der beteiligten Unternehmen noch ändert sich hierdurch die Trennung der jeweiligen Vermögensmassen (BAG v. 4.10.1994 – 3 AZR 910/93, DB 1995, 528; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362).
Rz. 371
Die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens lässt sich allerdings nur bei einer Gesamtbetrachtung aller die wirtschaftliche Lage beeinflussenden Faktoren umfassend beurteilen. Das hat bei konzernverbundenen Unternehmen zur Folge, dass ggf. nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Betriebes, sondern die Vermögensverhältnisse der Konzernobergesellschaft zu prüfen sind, wenn ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Das gilt auch dann, wenn die Konzernobergesellschaft ihren Sitz im Ausland hat (BAG v. 14.2.1989 – 3 AZR 191/87, NZA 1989, 844; BAG v. 28.4.1992 – 3 AZR 244/91, NZA 1993, 72).
Rz. 372
Für einen Haftungsdurchgriff im Konzern ist die Existenz eines Ergebnisabführungsvertrages somit allein nicht ausreichend.
Für einen solchen Berechnungsdurchgriff im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG galten nach der Rspr. des Ruhegeldsenats seit dem Urt. v. 28.4.1992 (3 AZR 244/91, BAGE 70, 158; vgl. auch BAG v. 14.12.1993 – 3 AZR 519/93, AP BetrAVG § 16 Nr. 29) u.a. die Grundsätze entsprechend, die ursprünglich der BGH zur Haftung des herrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten des beherrschten Unternehmens aufgestellt hatte (vgl. etwa BGH v. 13.12.1993 – II ZR 89/93, AP AktG § 303 Nr. 5; BGH v. 29.3.1993 –II ZR 265/91, BGHZ 122, 123; BGH v. 23.9.1991 – II ZR 135/90, BGHZ 115, 187; BGH v. 20.2.1989 – II ZR 167/88, BGHZ 107, 7; BGH v. 16.9.1985 – II ZR 275/84, BGHZ 95, 330). Zwischen der konzernmäßigen Durchgriffshaftung und der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers bei der Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG bestand ein Zusammenhang. Haftete beim qualifiziert faktischen Konzern die Konzernobergesellschaft, dann musste diese mit ihrer wirtschaftlichen Lage der Tochtergesellschaft gegenüber auch für deren Anpassungsschulden einstehen.
Nach der Rspr. des BAG (vgl. etwa 18.2.2003 – 3 AZR 172/02, BAGE 105, 72) kam ein Berechnungsdurchgriff nur in Betracht, wenn eine verdichtete Konzernverbindung vorlag und sich außerdem konzerntypische Gefahren verwirklicht hatten. Eine verdichtete Konzernverbindung wurde angenommen, wenn entweder ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag bestand (Vertragskonzern) oder wenn ein konzernangehöriges Unternehmen die Geschäfte des Versorgungsschuldners tatsächlich dauernd und umfassend geführt hatte (qualifiziert faktischer Konzern). Von der Verwirklichung einer konzerntypischen Gefahr wurde ausgegangen, wenn die Leitungsmacht vom herrschenden Unternehmen in einer Weise ausgeübt worden war, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen, sondern stattdessen die Interessen anderer dem Konzern angehörender Unternehmen oder seine eigenen Interessen in den Vordergrund gestellt hatte und dadurch die mangelnde Leistungsfähigkeit des beherrschten Unternehmens verursacht wurde (vgl. etwa BAG v. 18.2.2003 – 3 AZR 172/02, BAGE 105,72; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, NZA 2011, 1416).
Rz. 373
Nachdem der BGH in seiner Grundsatzentscheidung v. 16.7.2007 (II ZR 3/04, BGHZ 173, 246) sein bisheriges Haftungskonzept aufgegeben hat, lassen sich die vom BAG aufgestellten Grundsätze zum Berechnungsdurchgriff im qualifiziert faktischen Konzern nicht mehr aufrechterhalten. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH setzt die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens voraus.
Nach der Auffassung des BGH handelt es sich um einen besonderen Fall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB.
Die Haftung des Gesellschafters setzt u.a. den Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs und die dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft oder deren Vertiefung voraus. Die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters nach § 826 BGB erfordert einen kompensationslosen "Eingriff" in das im Gläubigerinteresse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen (vgl. BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204).
Vor diesem Hintergrund ist für einen vom Ruhegeldsenat des BAG auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung des BGH zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern entwickelten Berechnungsdurchgriff kein Raum mehr. Infolge der ...