Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 179
§ 4 BetrAVG erlaubt nur unter sehr engen Voraussetzungen eine Übertragung von Versorgungsverpflichtungen auf einen neuen Versorgungsschuldner, wobei der Begriff der Übertragung sowohl die haftungsbefreiende Übernahme (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG) als auch die Kapitalisierung der Versorgungsverpflichtung und Übertragung eines entsprechende Übertragungswertes (Portabilität gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG) durch den Folgearbeitgeber erfasst.
a) Übernahme von Zusagen durch Folgearbeitgeber (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG)
Rz. 180
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG ist die Übernahme der Versorgungsverpflichtung durch den Folgearbeitgeber im Wege der haftungsbefreienden Schuldübernahme (vgl. insoweit auch: Schnitker/Grau, NJW 2005, 10; Langohr-Plato/Teslau, NZA 2004, 1301) zulässig. Erforderlich ist hierzu ein entsprechendes Einvernehmen aller Beteiligten, d.h. der übereinstimmende und vertraglich dokumentierte Wille des bisherigen Arbeitgebers, einen der Versorgungszusage entsprechenden Vermögenswert übertragen zu wollen und des neuen Arbeitgebers, die Zusage unverändert übernehmen zu wollen sowie die Zustimmung des den Arbeitgeber wechselnden Mitarbeiters zu diesem Vorgang.
Rz. 181
Nicht erforderlich ist, dass die Versorgungszusage im gleichen Durchführungsweg fortgeführt wird. Der neue Arbeitgeber kann die Zusage durchaus auch über einen anderen Durchführungsweg gestalten. § 4 BetrAVG reglementiert nur den Wechsel des Versorgungsschuldners. Insoweit ist auf den in § 1 Abs. 1 BetrAVG normierten Verschaffungsanspruch abzustellen. Ein Wechsel des Durchführungsweges ist – und das hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 4 BetrAVG ausdrücklich klargestellt (BT-Drucks 15/2150, 53 zu Nr. 5; vgl. auch Blumenstein, BetrAV 2004, 1427; Kock/Otto, BB 2004, 1167; Förster/Cisch, BB 2004, 2126; Schnitker/Grau, NJW 2005, 12) – nicht unter § 4 BetrAVG subsumierbar.
Rz. 182
Ob für einen solchen Wechsel des Durchführungsweges allerdings eine Zustimmung des Mitarbeiters erforderlich ist, hängt davon ab, ob der Durchführungsweg ebenfalls inhaltlicher Bestandteil des Versorgungsversprechens geworden ist oder nicht. Beschränkt sich das Versorgungsversprechen nicht nur auf die Definition einer Versorgungsleistung und/oder eines zur Finanzierung einer Versorgungsleistung bestimmten Beitrags, sondern erstreckt sich das Versorgungsversprechen auch auf die Durchführung der Versorgung über einen bestimmten Durchführungsweg, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, diesen Durchführungsweg einzuhalten (BAG v. 12.6.2007 – 3 AZR 186/06, = BetrAV 2008, 625 = NZA-RR 2008, 537; BAG v. 17.6.2008 – 3 AZR 254/07, DB 2008, 2491 und 3 AZR 553/06, AP Nr. 55 zu § 133 BGB; Reinecke, DB 2010, 2392 f.). Dies gilt auch für den Fall der schuldbefreienden Haftungsübernahme i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG.
Rz. 183
§ 4 BetrAVG erlaubt daher nur noch die haftungsbefreiende Schuldübernahme durch den neuen Arbeitgeber. Die früher vorgesehenen weiteren Übernahmemöglichkeiten durch eine Pensionskasse, eine Lebensversicherung oder einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger wurden gestrichen und sind somit aktuell – jedenfalls mit haftungsbefreiender Wirkung – nicht mehr möglich (Kock/Otto, BB 2004, 1167).
b) Portabilität (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG)
Rz. 184
Im Mittelpunkt von § 4 BetrAVG steht die sog. "Portabilität" i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG. Damit wird das Ziel verfolgt, die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern und die Ansprüche der Versorgungsberechtigten möglichst auf nur einen Versorgungsträger zu konzentrieren (Blumenstein, BetrAV 2004, 237; Höfer, DB 2004, 1427; Förster/Cisch, BB 2004, 2126).
Rz. 185
Im Gegensatz zu der Übernahme der Versorgungszusage durch den neuen Arbeitgeber, also der "Weitergabe" der vertraglichen Verpflichtungen des alten Arbeitgebers im Wege der Einzelrechtsnachfolge und damit der rechtlichen Haftung für Inhalt und Umfang dieser Zusage ("haftungsbefreiende Übernahme"), wird bei der Portabilität nicht die Versorgungszusage selbst, sondern nur deren Wert "übertragen". Dieser Wert wird quasi als "Initialbaustein" oder Einmalprämie in das Versorgungssystem des neuen Arbeitgebers eingebracht. Der "Übertragungswert" spiegelt also nur den Gegenwert der unverfallbaren Anwartschaft wider; er kann vom neuen Arbeitgeber zur Finanzierung eines völlig anderen Versorgungsplans verwendet werden. Eine inhaltliche Identität von Leistungsarten, Leistungsumfang und/oder Leistungsvoraussetzungen ist nicht erforderlich (so auch Höfer, DB 2004, 1427; Schnitker/Grau, NJW 2005, 11).
Rz. 186
Die Portabilität führt also zum rechtlichen Untergang der ursprünglichen Versorgungsverpflichtung beim alten Arbeitgeber (vgl. § 4 Abs. 6 BetrAVG) und zur Erteilung einer von der ursprünglichen Zusage (haftungs-)rechtlich unabhängigen Neuzusage, auf die die Regelungen zur Entgeltumwandlung entsprechend Anwendung finden, § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG.
Rz. 187
Der Gesetzgeber folgt damit der Erkenntnis, dass unter haftungsrechtlichen Erwägungen die Übertragung von Versorgungsrisiken – die auch in der Vergangenheit allenfalls bei einem Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns Relevanz erlang...