Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 516
Hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit des Mindestalters in der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist hat das BAG mit Urt. v. 18.10.2005 (3 AZR 506/04, DB 2006, 1014) entschieden, dass die seinerzeit in § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG a.F. normierte Mindestaltersgrenze von 35 Jahren keine unmittelbare Geschlechterdiskriminierung darstellt, da allein auf das Alter bei Ausscheiden, nicht aber auf geschlechtsbezogene Merkmale abgestellt wird. Mangels hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte hat das BAG in seiner Entscheidung auch keine mittelbare Diskriminierungswirkung des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG a.F. feststellen können.
Rz. 517
Unabhängig davon wäre eine mittelbare Diskriminierung nach Ansicht des BAG aber auch durch sachlich einleuchtende Gründe gerechtfertigt. Für die ungleiche Behandlung der unter und über 35-Jährigen gab es nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Regelungsziel objektive Gründe, die nichts mit der Geschlechtszugehörigkeit der benachteiligten Arbeitnehmer zu tun haben. Insoweit hebt das BAG insb. auf das Thema Fluktuationsschutz ab.
Rz. 518
Die mit dem BetrAVG eingeführten gesetzlichen Grenzen der Verfallbarkeit sind Vorschriften, die zugunsten der Arbeitnehmer in das Gesetz aufgenommen wurden und die Vertragsfreiheit der Parteien beschränken. Damit wurde nach Ansicht des BAG auch die Mobilität der Arbeitnehmer gefördert. Die in § 1 Abs. 1 BetrAVG a.F. enthaltene Mindestaltersgrenze sei – wie die Mindestbeschäftigungszeit – insoweit das Ergebnis eines Kompromisses zwischen Sozialschutz und Berufsfreiheit der Arbeitnehmer einerseits sowie der unternehmerischen Freiheit und dem Bindungsinteresse des Arbeitgebers andererseits.
Rz. 519
Dabei habe der historische Gesetzgeber berücksichtigt, dass die Fluktuationsrate bis zum Lebensalter von 35 Jahren erfahrungsgemäß noch sehr hoch war (vgl. BT-Drucks 7/2843, 7). Die Einführung des Mindestalters für eine Unverfallbarkeit trug daher den betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers Rechnung, wobei der Gesetzgeber bei der Gestaltung von einer eingeschränkten Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers in jungen Jahren ausgegangen ist. In einem jüngeren Lebensalter sei es leichter möglich, Verluste von Anwartschaften anderweitig auszugleichen. Vor diesem Hintergrund stellte die Altersgrenze von 35 Jahren ein geeignetes und angemessenes Mittel dar, die betriebliche Altersversorgung zu fördern und die Arbeitgeber nicht durch eine uneingeschränkte Unverfallbarkeit von der Gewährung derartiger Leistungen überhaupt abzuschrecken. Mit dem BetrAVG sollte der soziale Schutz unter Beachtung des rechtlich und tatsächlich Möglichen ausgedehnt werden. Der Gesetzgeber habe die Unverfallbarkeit von persönlichen und sachlichen, geschlechtsneutralen Merkmalen abhängig gemacht, die das Interesse der Arbeitgeber an langer Betriebstreue, wirtschaftlicher Gestaltungsfreiheit und begrenzter finanzieller Belastung berücksichtigen.
Rz. 520
Die Entscheidung ist eine konsequente Fortführung bzw. Umsetzung der höchstrichterlichen und europarechtlichen Rspr. zur mittelbaren Geschlechterdiskriminierung und unter diesem Aspekt auch richtig. Ob allerdings die in der deutschen Unverfallbarkeitsfrist enthaltene Mindestaltersgrenze insgesamt rechtlich unbedenklich ist, lässt sich daraus nicht zwingend ableiten. Das Gericht hat in der konkreten Entscheidung seine Prüfung dieser Altersgrenze ausschließlich nur auf die Frage der Geschlechterdiskriminierung beschränkt. Die ggf. viel bedeutsamere Frage einer sog. Altersdiskriminierung ist dagegen nicht behandelt worden.
Rz. 521
Es stellt sich daher die Frage, ob die durch die hier maßgebliche Altersgrenze feststellbare Diskriminierung junger Arbeitnehmer, die ggü. älteren Mitarbeitern eine ggf. wesentlich längere Dienstzeit ableisten müssen, bevor sie eine gesetzlich unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung erlangen können, sachlich gerechtfertigt ist bzw. ob die vorliegend für die Geschlechterdiskriminierung vom BAG aufgeführten sachlichen Gründe auch auf die Altersdiskriminierung übertragen werden können.
In seiner Entscheidung vom 28.5.2013 hat das BAG diese Frage im Zusammenhang mit dem im konkreten Fall maßgeblichen Mindestalter 30 aber auch verneint und es generell nicht beanstandet, dass die Unverfallbarkeit von Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an das Erreichen eines bestimmten Mindestalters geknüpft wird (BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 210/11, ArbR 2013, 443; vgl. ferner Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, BetrAVG, § 1b Rn 71b; Cisch/Böhm, BB 2007, 602, 608; Rolfs, NZA 2008, 553, 555). Das in der gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmung vorausgesetzte Mindestalter bewirke zwar eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters. Diese Ungleichbehandlung sei aber sachlich gerechtfertigt, da sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche B...