Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 523
In einem weiteren Verfahren hatte das BAG die Wirksamkeit einer sog. "Altersdifferenzklausel" zu prüfen, d.h. einer Regelung, die die vollständige Kürzung (= Wegfall) der Hinterbliebenenrente vorsah, wenn der überlebende Ehegatte mehr als 15 Jahre jünger war als der verstorbene Ehegatte. Obwohl das BAG im Zusammenhang mit sog. "Spätehenklausel", d.h. Regelungen, die eine Hinterbliebenenrente versagen, wenn die Ehe nach einem bestimmten Alter geschlossen wurde und/oder bis zum Tod des Versorgungsberechtigten nicht eine bestimmte Zeit bestanden hat, der Ansicht ist, dass eine derartige "Spätehenklauseln" nach deutschem Recht zulässig sind und keine Altersdiskriminierung darstellen (BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, BB 2007, 672 = BetrAV 2006, 584), hat es die vergleichbare Fragestellung der Altersdifferenzklausel dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 352/05, NZA 2006, 1276 = BetrAV 2006, 776–781).
Rz. 524
Der EuGH hat hierzu in seiner Entscheidung v. 23.9.2008 – Rs. C 427/06, BB 2008, 2353- Bartsch) festgestellt, dass derartige Klauseln, sofern sie vor Inkrafttreten des AGG vereinbart worden sind, weiterhin als zulässig erachtet werden können. Damit hat der EuGH deutlich gemacht, dass die vom EuGH vertretene Zulässigkeit nur für Altzusagen gilt, d.h. für solche Zusagen, die vor Inkrafttreten des AGG vereinbart worden sind. Die Entscheidung enthält damit keinerlei Aussage hinsichtlich der Beurteilung der Diskriminierungsfrage für Neuzusagen.
In der Folgezeit hat das BAG seine bisherige Rechtsauffassung bestätigt und eine derartige Spätehenklausel nicht als altersdiskriminierend bewertet. Entsprechende Ausschlussklauseln sind nach Ansicht des BAG durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich (v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, BetrAV 1014, 385; BAG v. 16.10.2018 – 3 AZR 520/17, BetrAV 2019, 94 = NZA 2019,176 = Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 6/2019 Anm. 6; BAG v. 20.2.2018 – 3 AZR 43/17, BetrAV 2018, 244 = NZA 2018, 712; Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 18/2018 Anm. 6). Dies schließt den Tatbestand einer mittelbaren Altersdiskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG aus.
Das Ziel, die Leistungspflichten des Arbeitgebers auf Risiken zu begrenzen, die vor dem Bezug betrieblicher Versorgungsleistungen durch den versorgungsberechtigten Mitarbeiter angelegt waren, ist rechtmäßig i.S.d. § 3 Abs. 2 AGG. Der Arbeitgeber entscheidet bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus diesem Grund ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen (vgl. BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 509/08, BAGE 134, 89).
Rz. 525
Eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nah, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung. Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um sie kalkulierbar zu halten. Die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitgebers an. Dieser hat ein berechtigtes Interesse daran, die von ihm freiwillig eingeführte Hinterbliebenenversorgung auf einen Personenkreis zu beschränken, hinsichtlich dessen der Versorgungsbedarf bereits vor dem Leistungsbezug des versorgungsberechtigten Mitarbeiters angelegt war. Insoweit ist der Eintritt des Versorgungsfalls bei dem Versorgungsberechtigten für den Versorgungsschuldner eine wesentliche Zäsur und damit ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für Regelungen der Hinterbliebenenversorgung (BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, BetrAV 1014, 385).
Die Voraussetzung, dass die Ehe vor dem eigenen Leistungsbezug des versorgungsberechtigten Mitarbeiters geschlossen worden sein muss, ist zur Erreichung des Ziels, die Leistungspflichten des Arbeitgebers auf Risiken zu begrenzen, die vor dem Eintritt des Versorgungsfalls beim Versorgungsberechtigten angelegt waren, auch angemessen und erforderlich. Die angestrebte zulässige Risikobegrenzung kann nämlich durch eine andere Regelung nicht erreicht werden (BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, BetrAV 1014, 385).
Rz. 526
Anders liegt der Fall bei "Spätehenklauseln"...