Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 446
Versorgungsansprüche gegen den Arbeitgeber, d.h. Ansprüche auf Zahlung betrieblicher Versorgungsleistungen können sich unabhängig vom Bestehen einzelvertraglicher oder kollektivrechtlicher Anspruchsgrundlagen auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz/Grundsatz der Lohngleichheit ergeben. Dies hat der Gesetzgeber bei der Einführung des BetrAVG mit einem entsprechenden Hinweis in § 1b Abs. 1 S. 4 BetrAVG ausdrücklich auch berücksichtigt. Danach stehen der Verpflichtung aus einer Versorgungszusage auch solche Versorgungsverpflichtungen gleich, die auf betrieblicher Übung oder dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Im Bereich des Betriebsrentenrechts hat der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz damit kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung (vgl. BAG v. 10.12.2002 – 3 AZR 3/02, BAGE 104, 205; 16.2.2010 – 3 AZR 216/09, Rn 56, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 35; BAG v. 28.6.2011 – 3 AZR 448/09, juris).
Rz. 447
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes, Art. 3 Abs. 1 GG. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage als auch eine sachfremde Gruppenbildung (st. Rspr. BAG v. 13.2.2002 – 5 AZR713/00, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 184 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 87 m.w.N.). Die Differenzierungsgründe, d.h. die Gründe für die Ungleichbehandlung, müssen auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und dürfen nicht gegen verfassungsrechtliche oder sonstige übergeordnete Wertentscheidungen verstoßen (BAG v. 18.9.2001 – 3 AZR 656/00, BAGE 99, 53).
Rz. 448
Insoweit gilt ganz allgemein das Verbot, einen Arbeitnehmer bei der Einbeziehung in ein betriebliches Versorgungswerk sowie hinsichtlich Inhalt und Umfang der gewährten Versorgungsleistungen zu benachteiligen (vgl. Doetsch, BetrAV 1997, 25).
Rz. 449
Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet allerdings nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer. Das Gebot der Gleichbehandlung greift vielmehr erst dann ein, wenn der Arbeitgeber nach bestimmten generalisierenden Prinzipien Leistungen gewährt (BAG v. 19.8.1992 – 5 AZR 513/91, NZA 1993, 171). Der aus der Summe individuell zugesagter Rentenleistungen ermittelte mathematische Durchschnittswert ersetzt eine solche Regel nicht.
Rz. 450
Voraussetzung für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist dabei jedoch stets die Existenz einer generellen Versorgungsordnung, die eine Mehrzahl von Mitarbeitern nach abstrakten Kriterien begünstigt. Die Pflicht zur Gleichbehandlung besteht insoweit bereits dann, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, d.h. wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt. Gewährt er die Leistung nicht allen Arbeitnehmern, bei denen die von ihm gesetzten Kriterien zutreffen, so liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz auch vor, wenn die Zahl der begünstigenden Arbeitnehmer kleiner ist als die der Mitarbeiter, die sich mit ihnen vergleichen. Ist die Anzahl der begünstigten Mitarbeiter im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Mitarbeiter allerdings sehr gering (< 5 %), ist ein Verstoß unter dem Aspekt der Gleichbehandlung regelmäßig zu verneinen (BAG v. 13.2.2002 – 5 AZR 713/00, NZA 2003, 215).
Rz. 451
Insoweit ist allerdings auch zu beachten, dass selbst dann, wenn i.R.d. tatsächlichen Gewährung der Altersversorgung kein generalisierendes Prinzip des Arbeitgebers erkennbar ist, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gleichwohl bereits dann anwendbar ist, wenn i.R.d. Aufnahme in die betriebliche Altersversorgung nicht nur einzelne Arbeitnehmer bessergestellt werden (BAG v. 12.3.1993 – 5 AZR 513/91, DB 1993, 539 f.). Andernfalls wäre der Arbeitgeber im Vorteil, der von vornherein keine allgemeinen Grundsätze aufstellt, sondern nach seinem eigenen Gutdünken verfährt.
Rz. 452
Dagegen können echte individuelle, d.h. im Einzelfall erteilte Versorgungszusagen kein Recht zur Gleichbehandlung begründen (BAG v. 25.5.2004 – 3 AZR 15/03, BetrAV 2005, 199).
Rz. 453
Ferner ist zu beachten, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz regelmäßig nicht konzern- sondern unternehmensbezogen zu bewerten ist (BAG v. 22.8.2006 – 3 AZR 319/05, DB 2007, 639; BAG v. 20.8.1986 – 3 AZR 319/05, BAGE 52, 380, 391; BAG v. 4.10.1994 – 4 AZR 272/85, BAGE 78, 87, zu B II 3 der Gründe; BAG v. 17.11.1998 – 1 AZR 147/98, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79). Eine unternehmensübergreifende Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kommt lediglich dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber Sozialleistungen üblicherweise konzerneinheitlich erbringt (BAG v. 22.8.2006 – 3 AZR 319/05, DB 2007, 639).
1. Rechtsgrundlagen
Rz. 454
Ausgangspunkt der juristischen Diskussion zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz im Bereich der betrieblichen Alte...