Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 7
Für die Gewährung betrieblicher Versorgungsleistungen gilt grds. der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Das BetrAVG enthält als Arbeitnehmerschutzgesetz zwar einige einschränkende Regelungen (z.B. Unverfallbarkeit, Auszehrungs-, Anrechnungs- und Abfindungsverbot, Anpassungsprüfung), die der Arbeitgeber als gesetzlichen Mindeststandard zwingend beachten muss, wenn er sich einmal zur Zusage entsprechender Leistungen entschlossen hat, und von denen nach § 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG auch nicht zuungunsten des Arbeitnehmers, und zwar auch nicht mit dessen Zustimmung, abgewichen werden darf. Darüber hinaus sind jedoch nur solche Vereinbarungen unzulässig, die entweder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen.
Rz. 8
Der Abschluss eines Tatsachenvergleiches über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruches auf betriebliche Versorgungsleistungen wird durch die Regeln des BetrAVG nicht ausgeschlossen (BAG v. 18.12.1984 – 3 AZR 125/84, DB 1985, 1949 = NZA 1986, 95; BAG v. 23.8.1994 – 3 AZR 825/93, DB 1995, 52).
Rz. 9
I.Ü. empfiehlt es sich, den Inhalt und Umfang betrieblicher Versorgungsleistungen so genau wie möglich zu erfassen und bei der vertraglichen Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsordnungen Auslegungsvarianten zu vermeiden. Im Zweifelsfall gilt nämlich die sog. "Unklarheitenregel", nach der der Arbeitgeber bei mehrdeutigen Verträgen die für ihn ungünstigere Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen muss, wenn er ein entsprechendes Vertrauen bei seinen Arbeitnehmern erweckt hat (BAG v. 25.5.1973 – 3 AZR 405/72, NJW 1973, 1948; BAG v. 16.3.1982 – 3 AZR 843/79, DB 1982, 1728). Werden Versorgungsregelungen in einer generell für alle Mitarbeiter geltenden Versorgungsordnung festgehalten, so handelt es sich dabei um allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB genügen müssen und insoweit der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen (BAG v. 23.3.2021 – 3 AZR 99/20, NZA 2021, 783 = Langohr-Plato, juris PR-ArbR 27/2021 Anm. 5; BAG v. 2.12.2021 – 3 AZR 254/21, NZA 2022, 481).
1. Leistungen zur Altersversorgung
Rz. 10
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen der Altersversorgung ist u.a. regelmäßig das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze, i.d.R. analog zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hinsichtlich der Festlegung dieser Altersgrenze steht den Vertragsparteien ein gewisser Handlungsspielraum zu. Der insoweit zur Anwendung kommende Grundsatz der Vertragsfreiheit wird allerdings begrenzt durch den Gleichbehandlungsgrundsatz (gleiche Altersgrenzen für männliche und weibliche Arbeitnehmer) sowie die anhand objektiver Kriterien vorzunehmende Ausfüllung des Begriffs der betrieblichen Altersversorgung. Danach wird eine Altersgrenze von 62 Jahren regelmäßig nicht unterschritten werden dürfen, es sei denn, dass für eine niedrigere Altersgrenze sachliche Gründe vorliegen (vgl. BGH, 16.3.1981 – II ZR 222/79, NJW 1981, 2410; BAG v. 2.8.1983, BB 1984, 1047 = DB 1984, 1201; BAG v. 28.1.1986, NZA 1987, 126; BAG v. 26.4.1986, BB 1988, 1672 = DB 1988, 2007; Blomeyer/Otto/Rolfs, BetrAVG, § 1 Rn 20). Für Zusagen, die vor dem 1.1.2012 erteilt worden sind, ist insoweit auf eine Untergrenze von 60 Jahren abzustellen. Ein früherer Rentenbezug zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr wird bislang nur für berufsspezifische Ausnahmefälle (z.B. Piloten, Bergbau) anerkannt.
Rz. 11
Für Versorgungszusagen, die nach dem 31.12.2011 erteilt werden, sieht das BMF-Schreiben v. 5.2.2008 (IV C 8 – S 2222/07/0003; IV C 5 – S 2333/07/0003) zur steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung ebenfalls vor, dass eine steuerrechtlich anzuerkennende betriebliche Altersversorgung nur noch dann vorliegt, wenn für die frühestmögliche Rentenzahlung eine Altersgrenze von 62 Jahren vereinbart worden ist. Damit soll die vom Gesetzgeber verabschiedete Anhebung des Renteneintrittsalters in der gesetzlichen Rentenversicherung auf das 67. Lebensjahr entsprechend bei der frühestmöglichen Altersgrenze in der betrieblichen Altersversorgung "nachvollzogen" werden.
Rz. 12
Überbrückungshilfen bis zum Erreichen eines in der Versorgungszusage festgelegten Versorgungsfalles "Alter" sind keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung i.S.d. BetrAVG, selbst wenn sie in der Zusage als Ruhegehälter bezeichnet worden sind. Mithin entfällt für derartige Übergangsgelder auch der gesetzliche Insolvenzschutz (BAG v. 3.11.1998 – 3 AZR 454/97, NZA 1999, 594).
2. Leistungen für den Fall der Invalidität
Rz. 13
Das Arbeitsrecht kennt keinen eigenständigen Begriff der Invalidität. Daher wird dieser Begriff auch im Arbeitsrecht regelmäßig i.S.d. sozialversicherungsrechtlichen Definition verstanden und angewandt (BAG v. 19.4.1983 – 3 AZR 4/81, BetrAV 1984, 44 = DB 1983, 2255 = NJW 1983, 2959; BAG v. 24.6.1998 – 3 AZR 288/97, DB 1998, 1969; Reinecke, DB 2010, 2167). Soweit eine Versorgungsordnung ohne jegliche weitere Differenzierung nur auf den "Invaliditätsfall" abstellt, so werden hiervon sowohl Erwerbs- als auc...