Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 415
Das BetrAVG wurde mit dem gesetzgeberischen Willen installiert, "durch gesetzliche Mindestnormen den Inhalt der betrieblichen Altersversorgung berechtigten sozialpolitischen Forderungen" anzupassen (BT-Drucks 7/1281, 19; vgl. auch BAG v. 30.11.1982 – 3 AZR 1266/79, AuR 1983, 91 unter B II 2c der Gründe). Neben diesen spezialgesetzlichen Rahmenbedingungen wird die betriebliche Altersversorgung aber noch durch diverse allgemeine rechtliche und prozessuale Rahmenbedingungen beeinflusst, die von den Vertragsparteien zu beachten sind.
1. Rechtsgeschäftlicher Verzicht
Rz. 416
Die Möglichkeiten zur Aufhebung einer Versorgungszusage sind sowohl durch den Gesetzgeber als auch durch die Rspr. erheblich eingeschränkt worden. Dies gilt nicht nur für die Eingriffsmöglichkeiten des Arbeitgebers (vgl. hierzu die ausführliche Darstellung unter Rdn 531 ff.), sondern auch für entsprechende Verfügungen des Arbeitnehmers. Verzichts-, Aufhebungs-, Abfindungs- oder Erlassverträge werden in ihrer Rechtswirksamkeit durch die zwingenden Regelungen des BetrAVG beschränkt.
Rz. 417
Nach § 3 BetrAVG sind Abfindung und Verzicht auf eine gesetzlich unverfallbare Anwartschaft nur aufgrund von Tarifverträgen und i.Ü. nur im fortbestehenden Arbeitsverhältnis zulässig. Daraus leitet die Rspr. ab, dass ein Arbeitnehmer auf eine Versorgungsanwartschaft, die schon nicht abgefunden werden darf, erst recht nicht verzichten kann (BAG v. 22.9.1987 – 3 AZR 194/86, NZA 1988, 470).
Rz. 418
Dies gilt auch für sog. allgemeine "Ausgleichsquittungen", bei denen im Rahmen eines Vergleiches die Erklärung abgegeben wird, das alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis endgültig erledigt sind, und zwar auch dann, wenn die Vereinbarung im Rahmen eines gerichtlichen Aufhebungsvergleiches protokolliert wird (BAG v. 9.11.1973 – 3 AZR 66/73, DB 1974, 487; BAG v. 3.5.1983 – 3 AZR 1263/79, NJW 1983, 2283; BAG v. 20.10.1987 – 3 AZR 200/86, NZA 1988, 396; BAG v. 27.2.1990 – 3 AZR 213/88, NZA 1990, 689). Etwas anderes kann – unter Berücksichtigung der von § 3 BetrAVG gesetzten Grenzen – allenfalls dann gelten, wenn der Verzicht des Arbeitnehmers auf seine Versorgungsansprüche vor Abschluss des Vergleiches oder vor Unterzeichnung der Ausgleichsquittung ausführlich erörtert worden ist (LAG Hamm v. 30.10.1979 – 6 Sa 91/79, BB 1980, 113) und/oder im Vergleich bzw. der Ausgleichsquittung expressis verbis aufgeführt ist (BAG v. 9.11.1973 – 3 AZR 66/73, DB 1974, 487).
Rz. 419
Wird gleichwohl ein entsprechender Verzicht vereinbart, so ist die Vereinbarung insoweit nach § 134 BGB nichtig.
Rz. 420
Abfindungs- und Erlassverträge werden auch des Öfteren im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang vereinbart. Soweit eine solche Vereinbarung gegen die zwingenden Rechtsfolgen des § 613a BGB verstößt, führt dies ebenfalls zur Nichtigkeit (ausführlich hierzu unter Rdn 644).
2. Pfändungsschutz
Rz. 421
Betriebliche Versorgungsleistungen unterfallen wie das Gehalt und sonstige vom Arbeitgeber gezahlte Vergütungen dem gesetzlichen Pfändungsschutz des § 850 Abs. 2 S. 1 ZPO und sind daher nur pfändbar, soweit der Leistungsumfang die in § 850c ZPO festgelegten Pfändungsfreigrenzen übersteigt (BAG v. 17.2.1998 – 3 AZR 611/97, DB 1998, 1039). Dies gilt auch für solche Versorgungsleistungen, die an Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft oder deren Hinterbliebene gezahlt werden, und zwar selbst dann, wenn diese geringfügig am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind (BGH, 8.12.1977 – II ZR 219/75, NJW 1978, 756).
Rz. 422
Arbeitseinkommen gem. § 850 Abs. 2 ZPO ist jedoch nur das laufende Entgelt. Hierunter fällt dagegen nicht der Beitrag, den ein Arbeitgeber zur Finanzierung einer betrieblichen Altersversorgung aufwendet. Insoweit bestehen keine Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitseinkommen i.S.v. § 850 Abs. 2 ZPO. Von daher sind diese Beiträge auch nicht bei der Berechnung des der Pfändung unterliegenden Lohnanspruches zu berücksichtigen (BAG v. 17.2.1998 – 3 AZR 611/97, DB 1998, 1039).
Rz. 423
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltverzicht finanziert wird und die Vereinbarung über diesen Entgeltverzicht gem. § 138 BGB nichtig ist. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn sich der Arbeitnehmer mit dem Entgeltverzicht vorsätzlich einer Unterhaltspflicht ggü. seinen minderjährigen Kindern, seiner Ehefrau oder sonstigen unterhaltsberechtigten Personen entziehen will. In einem solchen Fall besteht der Anspruch auf den Barlohn anstelle des Versorgungslohns fort, und das ursprüngliche, d.h. das ungekürzte Einkommen des Arbeitnehmers kann zur Berechnung des pfändbaren Teiles herangezogen werden.
Allerdings ist nicht jede Entgeltumwandlung, die mit vollstreckbaren Ansprüchen Dritter zusammentrifft, sittenwidrig, und zwar selbst dann nicht, wenn die Entgeltumwandlung erst zu einem Zeitpunkt vereinbart wird, in dem dem Arbeitgeber bereits ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers zugestellt worden ist (BAG v. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20, BetrAV 2022, 141;...