I. Alternative Regelungsmöglichkeit: Stichentscheid oder Schiedsgutachterverfahren
Rz. 7
Nach den ARB ist es den Rechtsschutzversicherern nunmehr ausdrücklich freigestellt, ob sie einen Stichentscheid oder ein Schiedsgutachten in den dafür vorgesehenen Fällen anwenden wollen. Die ARB gemäß Verbandsempfehlung regeln beide Verfahren. Dies bedeutet also,
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dass in den Fällen, in denen die Rechtsschutzversicherung die Rechtsschutzdeckung ablehnt wegen Verneinung der Erfolgsaussicht oder wegen Mutwilligkeit, die Meinungsverschiedenheit zum einen entschieden werden kann durch Stichentscheid, indem der Anwalt als Schiedsgutachter über die Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit entscheidet (vgl. oben Rn 4 ff.); |
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beim Schiedsgutachterverfahren erstattet dagegen in einem näher geregelten Verfahren ein fremder benannter Anwalt ein Gutachten darüber, ob Rechtsschutzdeckung zu gewähren ist oder nicht (vgl. hierzu § 36 Rn 1 ff.). |
Rz. 8
Die Anwendung des Schiedsgutacher-Verfahrens sowie des Stichentscheid-Verfahrens sind in § 3a ARB 2010 geregelt. In § 3a betreffend Schiedsgutachter-Verfahren ist bestimmt, dass der Versicherer den Rechtsschutz unter den im Einzelnen aufgeführten Bedingungen ablehnen kann. Gleiches gilt für die Anwendung des Stichentscheid-Verfahrens.
Rz. 9
In § 3a Abs. 2 ARB 2010 ist für den Fall der Anwendung des Stichentscheides bestimmt, dass der Versicherungsnehmer, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht verneint und der Versicherungsnehmer der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt, den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers veranlassen kann, diesem gegenüber eine begründete Stellungnahme abzugeben, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. In § 3a Abs. 2 S. 2 ARB 2010 ist bestimmt, dass die Entscheidung des Anwaltes für beide Teile bindend ist, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.
Rz. 10
Im Übrigen kann gem. § 3a Abs. 3 ARB 2010 für den Fall der Anwendung des Stichentscheides der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Frist von mindestens einem Monat setzen, binnen deren der Versicherungsnehmer den Rechtsanwalt vollständig und wahrheitsgemäß über die Sachlage zu unterrichten und die Beweismittel anzugeben hat. Dies soll den Anwalt in die Lage versetzen, die Stellungnahme gem. § 3a Abs. 2 ARB 2010 abzugeben. In dem Fall, in dem der Versicherungsnehmer dieser Verpflichtung nicht innerhalb der vom Versicherer gesetzten Frist nachkommt, entfällt der Versicherungsschutz. § 3a Abs. 3 S. 3 ARB 2010 bestimmt zudem, dass der Versicherer verpflichtet ist, den Versicherungsnehmer ausdrücklich auf die mit dem Fristablauf verbundenen Rechtsfolgen hinzuweisen.
II. Pflicht und Frist zur Mitteilung über die Leistungsverweigerung
Rz. 11
Macht der Rechtsschutzversicherer von seinem Recht zur Leistungsverweigerung Gebrauch, so ist dies dem Versicherungsnehmer unverzüglich mitzuteilen. "Unverzüglich" ist i.S.v. § 121 BGB zu definieren. Nach OLG Frankfurt ist diese Frist mit 2 bis 3 Wochen nach vollständiger Informierung zu bemessen (vgl. auch § 33 Rn 1).
Rz. 12
Eine Rechtsschutzversicherung, die wegen Aussichtslosigkeit einer Rechtsverfolgung den Eintritt verweigert, muss bei ihrer Ablehnung auf die Möglichkeit des Stichentscheides hinweisen. Dieser Hinweis kann im Deckungsprozess nicht mehr nachgeholt werden.
Rz. 13
Bedenken, die eine Rechtsschutzversicherung gegen die Erfolgsaussichten einer vom Versicherungsnehmer beabsichtigten Klage (etwa gegen Zigarettenhersteller wegen Beimengung suchtfördernder Stoffe im Zigarettentabak) äußert, stellen keine unverzüglich abgegebene Erklärung der Verneinung der Leistungspflicht dar. Zu einem späteren Zeitpunkt ist eine Ablehnung der Leistungspflicht wegen fehlender Erfolgsaussicht nicht mehr möglich.
Rz. 14
Nach OLG Karlsruhe soll die Hinweispflicht der Rechtsschutzversicherung gem. § 128 VVG (§ 158n VVG a.F.) entfallen, wenn der Versicherungsnehmer sein Recht kennt, einen Stichentscheid herbeizuführen. Dieser Standpunkt erscheint jedoch nicht gerechtfertigt angesichts der beabsichtigten Formstrenge des Schiedsverfahrens.
Rz. 15
Lehnt der Versicherer seine Leistungspflicht zunächst aus anderen Gründen, etwa Vorvertraglichkeit oder Obliegenheitsverletzung, ab, so stellt sich die Frage, ob er sich nachträglich noch auf eine fehlende Erfolgsaussicht berufen kann. Dies ist zu verneinen, weil das Verfahren des Stichentscheides ausdrücklich ein auf das Verfahren des Stichentscheides abgestimmtes Vorgehen vorsieht, nämlich die Ablehnung des Versicherungsschutzes wegen nicht gegebener Erfolgsaussicht oder wegen Mutwilligkeit.
Rz. 16
Macht der Versicherer von seinem Recht der Leistungsverweigerung aus den vorgenannten Gründen Gebrauch, so kann ihm dennoch nicht verwehrt sein, sich alternativ auf weitere Tatbestände der Leistungsverweigerung, etwa Vorvertraglichkeit oder Obliegenheitsverletzung, zu berufen.